Schaun's in die Ramsau
- ️@derspiegel
- ️Tue Aug 05 1952
Das tut der Landgerichtsdirektor im Hochsommer 1952, als Georg Küsswetter auf der Anklagebank sitzt und mit klugem Kalkül alle Besonderheiten der Entwicklung der letzten Jahre auf politischem Gebiet im Jagdwesen und im Ruperti-Winkel hernimmt, um aus ihnen das ethische Unterfutter seiner kriminellen Taten zu schneidern.
Was hierbei an hochpolitischer Rücksichtnahme, an Fingerspitzengefühl, an Verschwiegenheit und Verantwortungsbewußtsein von Küsswetter und den mitangeklagten hohen Forstbeamten vor Gericht produziert wird, könnte ausreichen, um ganze Diplomatengenerationen zu wahren Mustern von Umsicht zu machen:
Es waren die Verhandlungen um das Jagdgesetz, die sie hinderten, über viele Vorkommnisse zu sprechen, weil sonst eine ernste Verstimmung der Amerikaner und Schäden für die deutschen Jäger zu befürchten gewesen wären
Schließlich war es aber auch ganz gewaltige Verbitterung über eine Gemsenschlächterei der Amerikaner am Blaueiskar, die Georg Küsswetter jetzt, als er sich nach eineinviertel Jahren Schweigen und Leugnen am zweiten Prozeßtag endlich zu einem Geständnis entschloß, als Grund dafür angibt, daß er zwei seiner Jäger beauftragte, die Blaueishütte niederzubrennen.
Neben den Amerikanern war es der »Bergpöbel«, durch dessen Ueberhandnehmen er große Gefahren für den ganzen Hochkalterstock heraufziehen sah.
Und schließlich wird als letzter Grund seines Brandstiftungsentschlusses noch erwähnt, daß seinerzeit, Anfang 1946, die Gefahr einer Annexion des Ruperti-Winkels durch Österreich immer wieder diskutiert wurde.
Es gibt einen Zeugen für die Brandstiftung an der Blaueishütte, und der sitzt neben Georg Küsswetter auf der Anklagebank: den Jäger Jakob Niederberger. Er schildert den Vorgang so, daß die Blaueishütte am Hochkaltkar, ein sehr geräumiges, zweigeschossiges, massives Steinhaus, vom Landesamt für Vermögensverwaltung gerade an die Alpenvereinssektion »Hochland« in München verpachtet werden sollte, als Küsswetter zu ihm, Niederberger, gesagt habe, die Blaueishütte dürfe niemals auf den Alpenverein übergehen, sie müsse weggebrannt werden.
Zunächst erhob Niederberger, der damals noch Jäger auf Probe war, Einwände. Küsswetter ließ aber keine Widerrede gelten.
Einige Zeit später stieg er mit Niederberger zur Blaueishütte auf, ließ sich unterwegs in der benachbarten Alpenvereinshütte von Hüttenwirt Raffael Hang den Schlüssel geben und nahm Hang noch mit, um sich das Innere der Hütte zeigen zu lassen. Grund: Er wolle zwei Räume dieser Hütte für das Forstamt haben. Während der Besichtigung der Hütte mit Niederberger zeigte Küsswetter Niederberger einen Raum im ersten Stock und wies ihn an, in diesen Raum später Benzin zu schütten und dort den Brand zu legen.
Am 22. Mai 1946, als Hüttenwart Hang von der Alpenvereinshütte am Blaueis wegen einer Bergung im Unterwatzmann-Gebiet nicht auf seiner Hütte war - andere Personen wohnten nicht im Blaueisgebiet
- , stiegen Niederberger und ein Begleiter auf und setzten die Hütte der Anweisung ihres Forstmeisters entsprechend in Brand. Einen Benzinkanister, den Küsswetter vorher noch zu Niederberger gebracht hatte, hatte der Jäger im Rucksack mitgenommen.
Vor ihrer Brandstiftung gingen die beiden Jäger zur Alpenvereinshütte, die 500 Meter entfernt lag, um sicher zu sein, daß dort auch niemand war. Sie drangen durch den Keller in die Wohnküche, machten Feuer, öffneten eine Konservendose und nahmen eine Hose, einen Berghut und einen Eispickel des Hüttenwirts Hang mit, um einen Hütteneinbruch durch »Bergpöbel« oder Landstreicher vorzutäuschen. Dann gingen sie hinüber zur Blaueishütte, drangen ein und legten den Brand.
Der Jäger Weber, der mit rotbraunem Bart am rechten Flügel der Angeklagten sitzt, ergänzte diese Brandstiftungsbeichte durch seine Schilderung vom Brand des Kaltbachkasers.
Diese Almhütte war im Winter 1946/47 im Rohbau fertiggestellt, als der Besitzer, Bauer Maltan, den Forstmeister um die Genehmigung bat, in dem Kaser Milch ausschenken und Touristen beherbergen zu dürfen. Küsswetter lehnte ab, verärgert, daß nun doch Touristen in dieses Gebiet gelockt werden sollten.
Im stillen nahm er aber wohl an, daß Maltan dieses Verbot umgehen würde und bearbeitete zunächst Niederberger, er solle den für die Reiteralpe zuständigen Jäger Weber überreden, den Kaser noch im Rohbau anzuzünden Niederberger lehnte ab. Also beauftragte Küsswetter selbst den Weber mit der Brandstiftung, wobei er berichtete, der Oberforstmeister Hacker in Oberammergau habe ebenfalls eine Hütte angezündet. Ein guter Jäger sei einfach verpflichtet, so etwas zu tun. Im
übrigen, wurde der Forstmeister deutlich, könne er nur solche Jäger gebrauchen, die seine Befehle unbedingt ausführen.
Der Tag ist nicht mehr genau festzustellen, an dem der Jäger Weber dann in dem Rohbau aus Holzfällerabfällen ein Feuer machte und einige Balken von diesem Feuer so gegen die Holzwand des Kasers legte, daß das Feuer auf die Wand übergreifen mußte. Dann verließ er die Hütte. Es war zwischen dem 24. Mai und dem 7. Juni 1948, als der Kaltbachkaser durch Brand zu dreiviertel zerstört wurde.
Die beiden Jäger hätten ihre Taten mit ins Grab genommen, wenn nicht Küsswetter, der nach den Aussagen der Jäger schon zwischen Förstern Unfrieden gestiftet hatte, auch die Jäger gegeneinander auszuspielen versucht hätte. So kam es, daß Weber eines Tages außer sich geriet vor Zorn, als ihm Niederberger auf den Kopf zusagte: »Du hast doch den Kaltbachkaser angezündet, der Küsswetter hat''s mir gesagt.«
Aus solchen Ränken und solchen Aergernissen erwuchsen nun die erregten Aussprachen der Jäger untereinander, die sich gegen Küsswetter zu Vorwürfen verdichteten, er habe außerdem, wenn auch ohne Erfolg
* in der Zeit vom Frühjahr 1946 bis zum Frühjahr 1947 den Jäger Niederberger wiederholt aufgefordert, die Wartsteinhütte und die alte Schwegelalm-Diensthütte niederzubrennen;
* Niederberger aufgefordert, wenn wieder Touristen auf einer Hütte auf der Mittereisalm seien, sich zu verstecken und nach dem Weggang der Touristen sofort die betreffende Hütte in Brand zu setzen, um so den Eindruck zu erwecken, die Hütte sei durch Fahrlässigkeit der Bergsteiger abgebrannt;
* Niederberger im Frühjahr 1947 an mindestens drei verschiedenen Tagen aufgefordert, das Jagdhaus des ehemaligen Reichsministers Todt am Hintersee abzubrennen, weil es von dem amerikanischen Captain Payton bewohnt wurde, der Küsswetter verhaßt war;
* Anfang 1946 den ehemaligen Revierförster Zeller beauftragt, mit dem Jäger Grassl zusammen das Kührointhaus der ehemaligen Wehrmacht abzubrennen, dessen Touristenverkehr ihn bei der Jagd störte;
* 1948 den Revierförster Bauregger und den Jäger Jakob Brandner beauftragt, das Eisenbahner - Erholungsheim auf dem Untersberg - eine ehemalige Wehrmachtshütte am Zehnerkar - anzuzünden, da ihn der starke Touristenverkehr störte;
* 1949 den Berufsjäger Brettl unter Androhung der Entlassung im Weigerungsfall beauftragt, die Wehrmachtshütte auf der Schapbach-Alm abzubrennen, da sie »inmitten einer der besten Hirschbrunftplätze des ganzen bayrischen Hochgebirges« stehe.
Am 15. März 1951 wird Georg Küsswetter verhaftet. Einen Tag vorher hatte er noch den Jagdreferenten des Regierungsforstamtes, Oberregierungsrat Jäger, aufgesucht und ihm mitgeteilt, daß »die Jägersache« wieder aufgerollt wird. Er fährt heim, legt sich ins Bett und ist bei seiner Verhaftung schwer krank und nicht vernehmungsfähig.
Dann kommen 15 Monate der Anschuldigungen, Flüche und Verwünschungen gegen die Jäger, die sich »zu einem Komplott« gegen ihn zusammengeschlossen hätten, bis schließlich Rechtsanwalt Staubitzer-München. der den Forstmeister im Berchtesgadener Schloß verteidigt, das Geständnis seines Mandanten ankündigen kann, das freilich, gemessen an den Aussagen der Jäger, erst Teilgeständnis ist.