Die öffentliche Frau
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- ️Sat Jul 25 2009
Bisher war Sienna Miller immer wieder vor allem eines: die Freundin von jemandem. Doch mit Durchhaltevermögen macht die zierliche Blondine trotzdem Schauspielkarriere. Ein Treffen mit der gefallenen Königin der Klatschpresse.
Sie ist sehr, sehr dünnhäutig. Das ist sofort klar. Sie lacht, sie strahlt, sie wickelt sich ihr blondes Haar um den Finger, aber Sienna Miller leidet an Promi-Paranoia. Sie weiß, dass alles, was sie sagt, gegen sie verwendet werden kann. Deshalb hat sie Angst, überhaupt etwas zu sagen. Problem ist nur, dass Sienna Miller eigentlich ein lebenswilder, offener Mensch ist.
"Ich weiß nicht, ob ich jemals bewusste Entscheidungen getroffen habe", sagt sie und erfreut sich am eigenen Scherz über ihre unberechenbaren Berufsentscheidungen in Film, Theater und Mode. Dann bemerkt sie das Schweigen ihres Gegenübers und weiß, welche Assoziationen der fröhliche Satz losgetreten hat. Denn Sienna Miller ist eine gefallene Königin der Klatschpresse.
Jude Law und Balthazar Getty
Zuerst war das Kind reicher Eltern, das zwar in New York geboren ist, doch in London aufwuchs, vor allem die Freundin von Jude Law. 2004, da war Miller 23, hatte sie sich mit dem Filmstar verlobt. Das fotogene Paar wurde in der Boulevardpresse gefeiert. Doch schon ein Jahr später betrog Law seine Verlobte mit dem Kindermädchen, und aus dem strahlenden Sternchen, das auf jede Party eingeladen wurde, als wandelnder Modetipp galt und in "Layer Cake" Daniel Craig das Bett anwärmen durfte, wurde eine Verliererin. Dieses Abrutschen geht bekanntermaßen sehr schnell. Und Laws öffentliche Entschuldigung war einfach nur kontraproduktiv.
Aber Miller machte weiter: Jung, schön und begabt drehte sie Filme, modelte und entwarf Mode. Für die Klatschblätter war sie nun auch ohne Anhang interessant - nennen wir es den Feldbusch-Effekt. 2007 verlobte sie sich erneut, diesmal mit dem Schauspieler Rhys Ifans. Nach knapp einem Jahr verließ sie ihn jedoch wieder, weil sie "noch etwas länger egoistisch sein" wolle, wie die Partypostillen sie zitierten. Die Verliererin konnte also auch fies sein. Hinzu kamen diverse Partyaffären-Gerüchte. Schon wurde die vormals Betrogene zur kalten Herzensbrecherin stilisiert - und das war, anders als bei Männern, negativ gemeint. Den Gefrierpunkt erreichte Miller im vergangenen Jahr wegen ihrer Beziehung mit dem verheirateten Millionenerben Balthazar Getty. Dessen Hin und Her zwischen Frau und Kindern und Sienna Miller war ein öffentlich genüsslich verfolgtes dreckiges Drama.
Sienna Millers Augen verengen sich, so als könne sie das Kopfkino ihres Gegenübers sehen. "Natürlich war das ein Scherz, dass ich noch nie bewusste Entscheidungen getroffen habe", sagt sie mit bitterer Stimme. "Viele Menschen haben Schwierigkeiten, den britischen Humor zu verstehen." Sie verschränkt die schmalen Arme, was bald so aussieht, als hielte sie sich selbst zusammen. Sie geht vom Schlimmsten aus.
"Wie gehen Sie mit der Negativpresse um, können Sie das ausblenden, Frau Miller?" Sie zögert, dann: "Selbstbeherrschung." "Haben Sie manchmal das Gefühl, es gebe da draußen eine zweite Sienna Miller, über die alle schreiben?" "Um ganz ehrlich zu sein: Ich versuche mir keine Gedanken mehr darüber zu machen, was die Menschen über mich denken. Ich habe da sowieso keine Kontrolle drüber, egal, was ich mache..." Sie würde gerne lachen, kann es aber nicht.
Brillantes Spiel
Sienna Miller wirkt trotz der vielen feinen Lachfalten um die Augen enttäuscht. Und das hängt wohl nicht nur mit den Männern und ihrem Medienimage zusammen, sondern auch mit ihrer Arbeit. 15 Kinofilme hat die mittlerweile 27-Jährige bereits gedreht. Darunter schauspielerische Meisterleistungen wie "Factory Girl" (2006), in dem Miller sich als tragische Popart-Muse die Seele aus dem Leib spielt, und "Interview" (2007), ein brillanter Film, in dem sich ein verbitterter Politikjournalist und eine unterschätzte Soap-Darstellerin ein Funken schlagendes Wortduell liefern.
Ihr neuestes Werk will sie als Gegenentwurf verstanden wissen: In dem Spezialeffekte-Spektakel "G.I. Joe - The Rise of Cobra" spielt Miller eine Bösewichtin in schwarzem Leder. Sogar die blonden Haare sind unter einer schwarzen Perücke versteckt. Das Kämpfen, Rennen und Schießen sei ein großer Spaß gewesen, sagt die fragile Frau. "Die Femme fatale ist eine großartige Rolle." Der reine Eskapismus dieser Verfilmung eines Comics, das wiederum auf einer Actionfigur basiert, gefalle ihr.
Miller hat die Selbstumarmung gelöst und spielt nun mit den Haaren. Auf der rechten Schulter prangen drei tätowierte kleine Sterne, am linken Handgelenk eine Schwalbe, das Zeichen der Freiheit. "Je älter ich werde, desto mehr denke ich, dass ich mich schützen muss", sagt sie über den Umgang mit dem zweifelhaften Ruhm. Sie habe ein kleines Häuschen auf dem Lande, in dem sie viel Zeit verbringe, so Miller.
"Und wenn Sie es verlassen? Werden Sie dann nicht auf Schritt und Tritt verfolgt?" "Nein, in England habe ich alle Paparazzis in einem Abwasch verklagt", so ihre Antwort mit einem endlich breiten Lächeln. "Jetzt kann ich mit meiner Nichte in den Park gehen und Enten füttern - was ich übrigens wirklich gerne mache."