t-online.de

Vom Flüchtlingskind zum Oberbürgermeister Frankfurts? Das ist SPD-Kandidat Mike Josef

  • ️Wed Mar 01 2023

Mike Josef kam als syrisches Flüchtlingskind nach Deutschland. In Frankfurt machte er eine steile politische Karriere in der SPD. Sein nächstes Ziel: Oberbürgermeister von Frankfurt.

Als er vor 20 Jahren mit einem Ikea-Schränkchen, einer Matratze und einer kaputten Kaffeekanne nach Frankfurt zog, hätte er nicht im Traum damit gerechnet, einmal als Oberbürgermeister dieser Stadt zu kandieren. Schon gar nicht, als er 1987 mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland auswanderte und in der Provinz der Schwäbischen Alb landete.

Die Familie zählt zur aramäischen Minderheit und sah in ihrem Heimatland keine Zukunft mehr. In Ulm wohnte die Familie ein paar Monate in einem Flüchtlingsheim. Josef besuchte damals die Hauptschule. Rund 36 Jahre später kandidiert der Sozialdemokrat nun für das höchste Amt in der Mainmetropole. (Mehr zu allen Kandidaten lesen Sie hier).

Der christliche Glaube begleitet ihn stets auf seinem Weg. In Wiblingen bei Ulm, wo Josef wohnte, wählten seine Eltern stets die CDU. Der 40-Jährige hat einmal verraten, dass er bei der Bundestagswahl 2002 für den CSU-Kanzlerkandidaten Stoiber votiert habe. Seinen Glauben hat er als Sozialdemokrat nicht aufgegeben. Wenn er eine schwierige Entscheidung fällen muss, dann betet Josef. Der 40-Jährige lebt heute in Frankfurt, ist mit einer Griechin verheiratet und ist Vater von zwei Söhnen.

Eine wichtige Rolle in seinem Leben spielt sein Freund Dejvid Ristovski. Der 39-Jährige aus Ulm ist gemeinsam mit dem Frankfurter OB-Kandidaten auf die Hauptschule gegangen. Im vergangenen November lud Josef seinen Freund nach Frankfurt auf eine Pressekonferenz ein. Ristovski sagte über Josef: "Er hat sich überhaupt nicht verändert. Er kann mit allen sozialen Schichten, weil er sie mitgemacht hat", zitiert ihn die "FAZ".

Ristovski und Josef spielten zusammen Fußball und trainierten später die C-Jugend des TV Wiblingen. Josef wurde später gar vom Lokalmatador SSV Ulm abgeworben. Zum Fußballprofi hat es letztendlich nicht gereicht. Heute ist Josef glühender Anhänger von Eintracht Frankfurt. Die Wege der Freunde trennten sich. Josef wechselte auf die Realschule, machte Fachabitur, zog zum Studium nach Frankfurt und legte hier eine durchaus beeindruckende politische Karriere hin.

An der Goethe-Universität studierte Josef Politikwissenschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft. Im Sommer 2006, als sich in Deutschland im sogenannten "Sommermärchen" alles um die Fußball-Weltmeisterschaft drehte, dürfte es für den damaligen Studenten ein, im politischen Sinne, einschneidendes Erlebnis gegeben haben. Denn es war auch der Sommer, in dem sich Tausende Studierende mit aller Macht gegen die Studiengebühren der schwarz-gelben Koalition unter Ministerpräsident Roland Koch stemmten.

Josef brüllte: "Roland Koch darf nicht Bundeskanzler werden"

"An einem Tag im Sommer 2006 zeigt Josef, was in ihm steckt", schreibt die "Frankfurter Rundschau". Josef ist damals 23 Jahre alt, aktiv bei den Jusos, der SPD-Jugendorganisation, und sitzt im Vorstand des Asta. Bei einer Demo auf dem Campus Bockenheim brüllt er vor 5.000 Studierenden in ein Mikro, beschreibt die Zeitung. Er wettert gegen die Studiengebühren und die Landesregierung. Am Ende seiner Rede ruft er: "Roland Koch darf nicht Bundeskanzler werden. Niemals!"

Die Geschichte ist bekannt: Roland Koch wurde nie Bundeskanzler, die kurzzeitig eingeführten Studiengebühren schaffte nach der Landtagswahl 2007 eine rot-rot-grüne Mehrheit wieder ab und Koch blieb am Ende im Amt als Ministerpräsident, weil vier SPD-Abweichler eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken ablehnten. Für die Hessen-SPD folgte bei der Neuwahl ein Jahr später der Absturz auf 23 Prozent, doch für Mike Josef ging es stetig bergauf.

Ein langjähriger Wegbegleiter in der SPD beschreibt den 40-Jährigen als jemanden, der sich durch Disziplin auszeichnet, "gepaart mit einer ordentlichen Portion Gelassenheit. Ein wenig hanseatisch-preußisch, aber dann auch wieder frankfurterisch cool." Ein weiterer Genosse von Josef bezeichnet ihn als "besonnen und diplomatisch". "Er hat immer eine Vision, wo es hingehen soll, vergisst auf dem Weg aber nie, alle mitzunehmen." Vielleicht sind es Eigenschaften wie diese, die den Weg von Josef nach oben ebneten.