Urchristentum - Christenverfolgung durch die Kirche
Zerstörung von Familien, Folterqualen und Massenmord unter dem bösen Missbrauch des Namens "Christus"
Der Theologe Nr. 92, aktualisiert
am 11.1.2025
Einleitung
Jesus, der Zimmermann aus Nazareth,
brachte die schlichte Lehre der Gottes- und Nächstenliebe. In seiner
Bergpredigt begeisterte er viele Menschen, die entschlossen waren, ihr Leben
grundlegend zu ändern. Doch seine Nachfolger, die Gemeinschaften des frühen Urchristentums, hatten
zunächst nur kurze Zeit Bestand. "Schon im zweiten Jahrhundert hat
tatsächlich eine tief greifende Veränderung stattgefunden, welche in einer
bedenklichen Verflachung des Christentums-Verständnisses bestand" so zum
Beispiel der
Theologe Walter Nigg in seinem Buch der Ketzer (Zürich 1986, S.
73). Und sein Kollege Gerhard Wehr
(Esoterisches Christentum) bedauert, dass die "frei waltenden
Geistesgaben" des frühen Christentums, etwa die Gottesprophetie oder die urchristliche
Glaubensheilung, durch die "Amtsvollmacht" der Priesterkaste beseitigt wurden:
"Spätestens seit der Mitte des 2. Jahrhunderts beginnt dieser Vorgang sich mit
deutlichen Konturen innerhalb der Christengemeinden abzuzeichnen: Was einst aus
ursprünglichem Geist-Erleben geschöpft war, wurde nun durch feste
Bekenntnisformeln verdrängt"
(Stuttgart 1995, S. 27). Doch hatten diese Vorgänge im 2. Jahrhundert überhaupt noch etwas mit Christus und einem so genannten "Christentum"
zu tun? Oder wurde dafür nur sein guter Namen geraubt und bis heute missbraucht?
Eines ist dabei gewiss: Nachfolger Jesu verfolgen niemals Andersdenkende, woraus
sich ergibt: Wer solches in den kommenden Jahrhunderten tat oder bis heute als Teil seiner Geschichte betrachtet, war und
ist mit der gegenteiligen Macht im Bunde.
Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. Zusätzlich hängte man ihnen einen Sack explodierendes Schießpulver um den Hals, um eventuell noch "letzte Worte" zu verhindern. David und Levina glaubten nicht an die Wirksamkeit der kirchlichen Sakramente. David verteidigte sich auch damit, dass niemand beweisen könne, dass sein Glaube "Ketzerei" sei. Doch das hat die Anführer der totalitären Machtkirchen und die von ihnen abhängigen Kaiser, Könige und Fürsten noch nie gestört. Im Hintergrund ergötzen sich die Vertreter der Kirche an der grausamen Ermordung der aufrechten und mutigen Nachfolger Jesu. (Zeitgenössischer Kupferstich)
Was als Unterwanderung urchristlicher Gemeinden im 1. Jahrhundert begann, entwickelte sich noch im gleichen und den dann nachfolgenden Jahrhunderten zum massiven Gegensatz zu Jesus von Nazareth und seiner Botschaft vom kommenden Friedensreich. Und nachdem die Priesterkaste in jüdischer Gewandung, die sich zu Feinden des Juden Jesus von Nazareth erklärt und seine Hinrichtung betrieben hatten, nach der Zerstörung ihres Tempels durch die Römer im Jahr 70 zugrunde ging, etablierte sich die Priesterkaste bald neu dieses Mal im katholischen Gewand, und sie knüpfte sehr bald an die Verfolgung der Nachfolger Jesu an.
Die so genannte Christenheit feiert Jahr für Jahr ihr Pfingstfest, und für alle anderen Bürger bedeutet dies auch freie Tage oder ein "verlängertes" Wochenende. Der "Heilige Geist" sei einst gekommen, so grob gesprochen die Bedeutung dieses Festes. Lesen Sie in dieser Ausgabe mehr über die Menschen, zu denen der "Heilige Geist" wirklich "gekommen" ist und die deshalb von der Kirchenmacht verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, bis hin zur Verfolgung durch Rufmord in unserer Zeit!Und wer bei diesem Thema mehr über die Ereignisse in Jerusalem vor 2000 Jahren wissen möchte, kann dies auf der Seite "Löscht den Geist aus! Kirche contra Pfingsten!" erfahren.
Während so genannten "Bischöfe" nach und nach die Macht übernahmen, drangen auch äußere Rituale und Kulte
aus antiken Götzenkulten in die Versammlungen ein so etwa ein
kultisches Abendmahl an Stelle des
gemeinsamen "Liebesmahls" oder eine
rituelle Säuglingstaufe anstelle der
Geisttaufe Erwachsener.
Dieser schon im 1. Jahrhundert beginnende Prozess der Verdunkelung der ursprünglichen Lehre Christi bis hin zur
Verkehrung in ihr Gegenteil vollzog sich nicht ohne Kämpfe. Immer wieder
leisteten Einzelne oder Gruppen von Menschen Widerstand gegen die Entstehung
einer äußeren Machtkirche im Namen von Christus, obwohl Jesus, der Christus,
solches nie gewollt hatte. Dies bedeutet nicht,
dass die zahlreichen "Ketzer"-Bewegungen der Geschichte immer nahtlos an das frühe Christentum anknüpften. In einzelnen Aspekten waren auch sie Missverständnissen unterworfen oder schossen über das
angestrebte Ziel hinaus. Doch sie alle sind der Beweis dafür, dass die Sehnsucht nach einem Reich des Friedens,
das der mutige junge Mann aus Nazareth auf die Erde bringen wollte und das schon der
Prophet Jesaja angekündigt hatte, nicht aus den Herzen und den Seelen der Menschen verdrängt werden kann.
Sondern es ist verheißen, und es wird sein.
Die römisch- katholische Kirche
der selbst erklärte Todfeind
der Nachfolger des Jesus von Nazareth
"Die
Ketzerei ist eine Sünde, durch welche man verdient, nicht nur von der Kirche
durch die Exkommunikation, sondern auch von der Welt durch den Tod
ausgeschlossen zu werden. Bliebt der Ketzer bei seinem Irrtum, so soll die
Kirche es aufgeben, ihn zu retten und soll für das Heil der übrigen Menschen
sorgen, indem sie ihn durch ein Exkommunikationsurteil aus ihrem Schoße
ausschließt; das Übrige überlässt sie dem weltlichen Richter, damit er ihn durch
den Tod von dieser Erde verbanne."
(Der heilig gesprochene Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) beschreibt
den dämonischen "Transfer von Kirche und Staat" indem die Kirche vom
Staat verlangt, ihre kirchlichen Mord- und Hinrichtungsurteile durchzuführen in Summa theologia, zit. nach Henry Charles Lea, Geschichte der Inquisition im
Mittelalter, Band 1, Eichborn-Verlag, Köln 1997)
Viele Überlieferungen über geschichtliche Ereignisse sind dabei aus der Sicht der mörderischen
Kirchenmacht verfasst und voller Verleumdungen und Rufmord. Doch in unserer
mächtigen Zeitenwende im 21. Jahrhundert lichten sich allmählich die Blicke auf die
Wahrheit. Immer mehr bis dahin unterdrückte und verschwiegene Mosaiksteine werden gefunden, und manches
bisher Verborgene dringt ans Tageslicht: Es waren Tausende, Zehntausende, ja
Hunderttausende von Gottsuchern, von Christen, die in den Strom des
Urchristentums zurück gefunden hatten und von der katholischen, orthodoxen oder
evangelischen Großkirche mit grausamster Gewalt, Folter, Mord und Kriegszügen ausgemerzt
wurden. Dies ist die größte und lang anhaltendste Christenverfolgung aller Zeiten
durch die Institutionen Kirche,
die sich bis zu Rufmordkampagnen der kirchlichen Sektenbeauftragten unserer Zeit fortsetzt.
Auch der Hintergrund dafür erhellt sich zunehmend: Die widergöttliche Macht der
Gegenspieler Gottes, auch "System Baal" genannt, hatte sich die Institutionen
Kirche mit ihrer Priesterkaste als Machtbasis auserkoren, um von dort unter Missbrauch
des Namens "Christus" zu allen Zeiten die wahren Christen zu
bekämpfen, zu verfolgen und auszurotten. Jeder
Zeitgenosse mit gesundem Menschenverstand kann dies für sich selbst erschließen, wenn er sich auch nur ansatzweise in das Leid der Opfer einfühlt
und in ihr friedfertiges Leben, für das sie ermordet wurden; und wenn er sich
auch in die Gedanken der Täter einzufühlen versucht. Doch mehr und mehr erliegen
die
heutigen Abkömmlinge der damaligen Verfolger in unserer Zeit den Wirkungen dieser ungesühnten
Völkermorde und grässlichen Untaten. Auf der anderen Seite werden alle Opfer
Gottesprophetinnen und -propheten, gerechte Männer und Frauen und ihre Unterstützer
, die aufs
Entsetzlichste von der kirchlichen Priesterkaste gequält wurden, Zug um Zug rehabilitiert.
Lesen Sie mehr dazu in dieser Ausgabe von Der Theologe.
(1) Niedergang durch die
Bischöfe
Wie konnte das passieren?
Wie sich die Dunkelheit in den urchristlichen Gemeinden verbreitete
Bereits in den
von Paulus gegründeten Gemeinden setzte eine Entwicklung ein, die den Freien
Geist des Christus Gottes und das Prophetische Wort immer mehr zum Schweigen
brachte und durch starre vereinheitlichte Normen ersetzte. Dazu gehörte vor
allem die Einführung eines "Bischofs" als fest installiertem Gemeindeleiter
und Lehrautorität im
Gegensatz zum urchristlichen Prinzip der Gleichheit, das Jesus von Nazareth
brachte.
Viele der ersten Christen hatten sich bereits zunehmend an anderen Menschen
orientiert
vor allem an solchen, die das "große Wort" führten
statt an Christus. Und sie fanden zu wenig Halt bei Gott in ihrem Inneren, im
eigenen Seelengrund. Das aber wäre die Verwirklichung einer zentralen Botschaft
von Jesus von Nazareth gewesen, als Er unter anderem sagte:
"Das Reich Gottes ist inwendig in
euch."
Anstatt also mit Hilfe der inneren Gotteskraft, der
Christus-Erlöserkraft, immer
konsequenter nach den Geboten Gottes zu leben, erlaubte man sich zunehmend
Nachlässigkeiten, Trägheiten und Gleichgültigkeiten und ließ immer mehr Kompromisse zu.
Weil viele Christen also zu wenig in Christus in ihrem Inneren und im Tun Seiner Lehre verwurzelt waren, entstanden auch immer mehr Uneinigkeiten darüber, was nun in konkreten Situationen richtig und was falsch sei. Dabei taten sich zunehmend intellektuell geprägte Meinungsbildner hervor, die für die Übernahme der "Verantwortung" bereit waren, welche andere Christen aus Trägheit und Bequemlichkeit von sich weg schoben. Die Ausrede dafür war meist, das könnten andere besser. Der lebendige "Gottesgeist", der die ersten Nachfolger von Jesus in ihrem Inneren und in der Gemeinschaft noch führte, wurde allmählich an den Rand gedrängt oder ist schließlich ganz verstummt. Stattdessen bekamen immer mehr auf ihr Ego bezogene und offen oder zumindest unterschwellig nach Macht strebende Personen das Sagen.
In der Folge bildeten sich neue Hierarchien heraus, und ein neues "Oben" und "Unten" entstand. Die ursprünglichen "Gemeinde-Ältesten", die ihre Aufgabe einzig aufgrund ihrer inneren Autorität ausüben sollten, wurden zu fest installierten Leitern, die sich an ihre Posten klammerten, was bedeutete: Diese Funktion behielten sie auch dann, wenn sie von ihrer Lebensweise nicht mehr für eine Gemeindeleitung geeignet waren und ein Wechsel dringend notwendig gewesen wäre. Man nannte sie bald "Bischöfe". Sie nahmen Sonderplätze ein und begannen, besondere Gewänder zu tragen wie die heidnischen Priester, und sie entschieden auch über die Finanzen. Unter der Führung dieser Bischöfe wurden aus einst weniger wichtigen Äußerlichkeiten und Symbolen immer mehr starre Vorschriften und Kulthandlungen, die Jesus nie gelehrt hat. Stattdessen wurden deren Inhalte auf die eine oder andere Weise den antiken Götzen-, Herrscher-, Blut- und Priesterkulten entnommen. Die früheren Baalspriester, gegen die bereits die Gottespropheten des Alten Bundes ihre Stimme erhoben, haben auf diese Weise unmerklich wieder die Macht übernommen, dieses Mal jedoch unter dem falschen Etikett "christlich".
Das einst dynamische und lebendige Urchristentum wurde bald nur noch in kleinen Gruppen außerhalb dieser sich herausbildenden immer mehr an äußerer Macht gewinnenden Kirche gelebt. Diese entwickelte sich hingegen zu einem religiös begründeten Gebilde, das man in der Geschichtsschreibung später "Frühkatholizismus" nennt und das manchmal unmerklich, zunehmend jedoch immer klarer in Gegensatz zum Christus Gottes trat. So hat sich die dunkle Macht allmählich in die urchristlichen Gemeinden geschlichen, dort verbreitet und diese unterwandert. Nachfolger Jesu in urchristlichen Gruppierungen, wo auch noch einzelne Gottesprophetinnen und -propheten wirkten, und die frühkatholische Kirche existierten noch eine Zeitlang nebeneinander, vor allem in 2. und 3. Jahrhundert, als in Rom noch so genannte heidnische Kaiser regierten, doch ein Miteinander war bald nicht mehr möglich, und die Wege gingen immer weiter auseinander.
Als Kaiser Konstantin Anfang des 4. Jahrhunderts diese schließlich nur dem Namen nach "christliche" frühkatholische Kirche privilegiert hatte, war deren weitere Degeneration zur einzigen totalitären Staatsreligion, die ein beispielloses Blutvergießen auf dieser Erde anrichten sollte, nur noch eine Frage der Zeit. Und der über allem stehende Pontifex maximus, der oberste Priester, war nun nicht mehr der Kaiser in Rom, sondern der Papst in Rom.
(2) Markion deckt auf:
Verschwörung gegen die Wahrheit ...
Gerade als sich eine amtskirchliche Tradition herauszubilden begann, die den Geist der Freiheit und Einheit der Urgemeinden in veräußerlichte Rituale zwängen wollte, stand ein Kämpfer gegen diese Entwicklung auf: Markion. Um 85 in Sinope am Schwarzen Meer
heute Sinop, ganz im Norden der heutigen Türkei als Sohn eines christlichen Gemeindevorstehers geboren, hatte der begüterte junge Mann beim Lesen eines Evangeliumstextes
damals gab es noch keine fest umgrenzte Bibel
(den so genannten "Kanon" der Bibel) wie heute ein einschneidendes Erlebnis, über das er selbst berichtet:
"O Wunder ... und Staunen ist, dass man gar nichts
über das Evangelium sagen, noch über dasselbe denken, noch es mit irgend etwas
vergleichen kann." Markion war kein Prophet und wohl auch kein Mystiker, doch ein radikal die Wahrheit suchender Mensch, der erfasste, dass die Lehre
von Christus etwas geistig Revolutionäres, den ganzen Menschen Erfassendes und Verwandelndes ist. Markion fiel aber auch auf, dass in den ihm zur Verfügung stehenden Texten ganz unterschiedliche Gottesbilder zu finden waren: Auf der einen Seite der Gott der Liebe und Fürsorge, auf der anderen
ein "Gott" der Strafe, einer angeblichen ewigen Verdammnis und der Angst. Markion konnte sich dies nur so erklären, dass eine
"Verschwörung der Wahrheit" stattgefunden hatte, und zwar nicht nur in den Texten des
"Alten Testaments" (das damals noch nicht so genannt wurde), sondern auch in neueren Texten, die angeblich auf die Apostel zurückgingen.
Neuer Wein in neue Schläuche
Es ist das Verdienst Markions, als erster Mensch der neuen Zeitrechnung öffentlich auf die Widersprüche in der Bibel (vgl. Der Theologe Nr. 8) hingewiesen zu haben: Ein "Gott", der wie in den Büchern, die angeblich Mose verfasst haben soll, grausamen Völkermord und Tiermord befiehlt, der die Todesstrafe gegen ungehorsame Söhne oder den Priestern widersprechende Israeliten verhängt, kann kein Gott der Liebe sein. Markion ging im Jahr 140 nach Rom, vermachte sein Vermögen aus Reedereigeschäften der dortigen Christengemeinde und begann einen Überzeugungsfeldzug für den Gott der Liebe. Doch man wollte seine Kritik an der Überlieferung nicht hören und zwang ihn, die römische Kirche wieder zu verlassen woraufhin der "erste Reformator" (Der Theologe Prof. Dr. Walter Nigg) der Christenheit kurzerhand eine eigene Kirche gründete. Denn es war eine Grundüberzeugung Markions, dass man den "neuen Wein" des ursprünglichen Christentums nicht in die "alten Schläuche" einer äußeren Kultreligion gießen konnte.
Vom Euphrat bis zur Rhone
Markion traf mit seiner Art der Wahrheitssuche und Verkündigung "offenbar die geheimen Sehnsüchte vieler Christenmenschen", so Gerd Lüdemann in seinem Buch Ketzer die andere Seite des frühen Christentums (Stuttgart 1995, S. 169). Seine Gemeinden fanden sich im 2. und 3. Jahrhundert vom Euphrat im heutigen Irak bis zur Rhone in Frankreich. "Anhänger des Markion" werden teilweise bis ins 6. Jahrhundert hinein erwähnt; in Kleinasien, der heutigen Türkei, und in Armenien bilden sie eine der Wurzeln der späteren Christen, die in der katholischen Überlieferung Paulikianer genannt wurde und die sein Erbe fortsetzen werden.
Gewaltlos und vegetarisch
Wir wissen allerdings nicht viel über das Leben der
so genannten "Markioniten", die von der Amtskirche mit großem Hass verfolgt wurden.
Schon in der von Katholiken geprägten Namensgebung "Markioniten" liegt
die Abwertung und der Versuch, sie als Anhänger eines einzelnen
Außenseiters auszugrenzen. Nur zum besseren Verständnis werden solche
und ähnliche Namensgebungen hier teilweise übernommen. Es waren hier wie
vielfach auch in anderen Gemeinschaften Christen, die schlichte ehrliche Gottesdienste
feierten, bei denen auch
einfache Gemeindeglieder nach Vereinbarung sprechen und Frauen
gleichberechtigt mit Männern die Taufe vollziehen durften. Sie lebten gewaltlos, vegetarisch und tranken keinen Alkohol.
Mehr ist
noch über ihre Lehre bekannt: Markion bzw. Marcion, der gebildete Reeder
vom Südufer des Schwarzen Meeres, wurde zum ersten Textkritiker der Bibel, der Fälschungen und Hinzufügungen aufdeckte und korrigierte. Er verwarf schließlich das Alte Testament völlig und ließ von den neueren Texten nur das Lukasevangelium und zehn Paulusbriefe gelten. Damit schuf er, der
"Ketzer", auch den ersten so genannten "Kanon" der Bibel.
Die römische Kirche beeilte sich daraufhin, einen eigenen Kanon zusammenzustellen,
was sich allerdings noch bis Anfang des 4. Jahrhunderts hinzog, bis die
klerikalen Machthaber darüber äußerlich eine Einigung erzielt hatten.
Offensichtlich war die Auswahl an verbindlichen Schriften, wie sie der Gottsucher Markion im Sinne des "Gottes der Liebe" festlegen wollte, zwar ein sinnvoller und letztlich notwendiger Versuch, der aber nicht wirklich geglückt ist. So verbannte er mit dem gesamten Alten Testament auch die dort noch auffindbaren Botschaften der wahren Gottespropheten, die sich zum Beispiel gegen die Tieropfer, gegen Krieg und gegen die bereits damals stattfindende Verfälschung der göttlichen Botschaft durch die Priesterkaste aussprachen, und er erkannte umgekehrt Paulusbriefe an, die bereits deutlich von Jesus von Nazareth abwichen. Gerade in den Schriften des Alten Testaments wahres Gotteswort von den nachträglichen Fälschungen der Priesterkaste (wovon z. B. Jeremia selbst spricht) zu unterscheiden, wäre eine Mammutaufgabe gewesen, an die er sich wohl nicht heranwagte.
Die Materie als Teil des Fallgeschehens
Teilweise fanatisch erscheint darüber hinaus auch die schroffe Abqualifizierung der "Welt" als sündhaft, falls man hier zeitgenössischen Berichten seiner Gegner glauben kann. Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese es bewusst oder unbewusst falsch oder verzerrt darstellten. Denn Markion erkannte bereits, was auch den heutigen Urchristen durch das Prophetische Wort wieder bekannt ist: Dass die für die irdischen Augen sichtbare Welt, die verdichtete Materie, nicht die ursprüngliche Schöpfung Gottes ist, sondern eine Folge des Abfalls eines Teils der Geistwesen von Gott, also bereits eine Phase der Entwicklung des Fallgeschehens und der Degeneration. Inwiefern er wusste oder auch nicht, dass Gott, der Ewige, mit Seinem Schöpfergeist, dem göttlichen Odem, auch die Materie am Leben erhält und dass in der Natur ein Abglanz der himmlischen Formen erahnt werden kann, kann also heute nicht mehr klar gesagt werden. Während Paulus, den Markion wie gesagt sehr schätzte, es den Christen freistellte, ehelos oder verheiratet zu leben (wobei er bekanntlich die Ehelosigkeit empfahl), forderte Markion, so ist es überliefert, von allen Gemeindemitgliedern strikte Enthaltsamkeit, da er erkannt hatte, wie der Sinnesrausch zur Trübung des Bewusstseins und zu Abhängigkeiten bzw. Bindungen führte statt zur inneren Freiheit im urchristlichen Strom der Gottes- und Nächstenliebe. Die Gratwanderung liegt dabei darin, dass es nicht den Geboten Gottes entspricht, hier in den freien Willen der Christen einzugreifen. Womöglich wurden aber beim Versuch der wichtigen Disziplinierung der Sinne auch manche Verdrängungen und Fanatismus gefördert, was dann auch zu einem Anteil am späteren Niedergang der "markionitischen" Gemeinden führte.Auf jeden Fall setzte der "größte Ketzer, der jemals aus dem Christentum hervorgegangen ist" (der österreichischer Philosoph und Journalist Egon Friedell, 1878-1938) einen frühen und wichtigen Kontrapunkt zur verheerenden kirchlichen Vorstellung eines strafenden, angeblich auf ewig verdammenden Gottes, die in den vergangenen 2000 Jahren unsagbares Leid und Unheil in die Welt brachte und noch bringt. Es ist auch sein Verdienst, dass die Begeisterung für den Gott der Liebe, der allen Menschen ungeteilt und uneingeschränkt zugetan ist, nie ganz aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden ist.
(3) Montanus, Priscilla,
Maximilla, Quintilla und die urchristliche Prophetie
"Eine Stimme, die nie hätte verstummen dürfen"
Als das lebendige Urchristentum schon im ersten Jahrhundert und dann immer mehr bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts verflachte, in seiner Begeisterung nachließ und zunehmend von Machtmenschen unterwandert wurde, die Rituale an die Stelle der Erschließung des inneren Lebens setzten etwa ein aus antiken Götzenkulten abgeschautes rituelles Abendmahl an die Stelle des "Liebesmahls" , da gab es auch Proteste. Viele verließen die Gruppierungen, in denen sich Bischöfe und ursprüngliche Älteste zunehmend nach dem Vorbild von Priestern antiker Religionskulte gebärdeten, indem sie zu institutionellen Verwaltern des Glaubens wurden. Propheten gab es dort dann keine mehr, oder sie wurden ganz oder weitgehend zum Schweigen verurteilt.
War Markion (ca. 85 - ca. 160), der
Verfechter des liebenden und Gegner des angeblich strafenden Gottes, eher ein
rationaler und klarer Denker, so war sein Zeitgenosse Montanus, ebenfalls aus
Kleinasien stammend, ein etwas anderer Charakter: ein Visionär, ein Asket und Charismatiker. Markion und Montanus hatten bei allen
Unterschieden jedoch eines gemeinsam: Sie
erkannten, dass das Christentum in großer Gefahr war, zu einer Religion zu
verkommen, welche die Botschaft des Jesus von Nazareth zunehmend verrät. Um dem
entgegen zu wirken, muss es sich wieder auf seine Ursprünge besinnen und mit dem sittlichen Ernst und der
mitreißenden Begeisterung der Frühzeit die Vollkommenheit im Geiste Gottes
anstreben, wie es von Jesus von Nazareth in der Bergpredigt gelehrt wurde. Die neue Priesterkaste,
die aus den ursprünglichen Gemeindeältesten hervor gegangen ist und welche die
Gemeinden an ihr Gängelband nahm, hatte
die Geistesgaben des frühen Christentums bereits weitgehend zum Schweigen
gebracht: die Gabe des Heilens durch den Geist Gottes, die Gabe des Lehrens aus
innerer Vollmacht und nicht zuletzt die Gabe der prophetischen Rede.
"Im Montanismus rebellierte das prophetische Wort gegen den Amts-Charakter der
Kirche", schreibt der Kirchenhistoriker Walter Nigg (Prophetische Denker, S.
41).
Und an anderer Stelle (Das Buch der Ketzer, S. 119): "Das Wesen des Montanismus
besteht in der Wiederentdeckung des urchristlichen Enthusiasmus. Das
Geistesbrausen, das einst die Christen gleich Feuerflammen ergriffen hatte ...,
bemächtigte sich des Montanus."
Neben Montanus traten die Frauen
Priscilla (oder Priska), Maximilla und wohl in späteren Jahren Quintilla als
Wortträgerinnen des Geistes auf. In der Überlieferung nannte man die Bewegung
teilweise "neue Prophetie"
wobei die "neue" Prophetie nichts anderes war als die so genannte "alte",
also auch der Gottesprophetie des Alten Bundes,
denn das Reich Gottes sprach immer durch Propheten zu den Menschen und sie verkündeten das Nahen des Gottesreiches.
Die Prophetinnen dieser Zeit und Montanus erinnerten dazu an die Bergpredigt des Christus Gottes. Ausgehend von Phrygien,
einem gebirgigen Hochland im Zentrum der heutigen Türkei, wo die "große
Göttermutter" Kybele (Vorbild für den späteren katholischen Marienkult) verehrt
wurde und Alexander der Große den Gordischen Knoten zerschlagen haben soll,
verbreitete sich die prophetische Bewegung im gesamten damaligen Kulturkreis, nach Lyon, Rom,
Karthago, Alexandria. Jesus von Nazareth hatte es selbst angekündigt:
"Darum spricht auch die Weisheit Gottes: Ich will Propheten und Apostel zu ihnen
senden." (Lukas 11, 49). Gott selbst offenbart sich durch Menschen, die Er sich
als Instrumente selbst erwählt hat.
Da sie das Gotteswort durch Prophetie empfingen und sich nicht der Zensur der Institutionsverwalter unterwarfen, wurden sie von der sich verfestigenden Machtkirche sogleich verleumdet und bekämpft. Doch vor allem Maximilla (+ 179) konnte die Urchristen noch eine Zeitlang mit dem Gotteswort begleiten. Laut einer der wenigen nicht unter Kaiser Konstantin vernichteten Überlieferungen über die "neue Prophetie" beschrieb sie die Situation einmal mit folgenden Worten: "Ich werde verfolgt wie ein Wolf unter den Schafen. Ich bin kein Wolf. Wort bin ich und Geist und Kraft." Es ist denkbar, dass sich Maximilla damit nicht selbst gemeint hat, sondern der Satz könnte Teil einer Offenbarung gewesen sein, in der Christus durch sie sprach, oder er macht eben die innere Einheit zwischen Christus und Seinem Instrument, der Prophetin deutlich. (Aus der Schrift einer Person mit dem Schutznamen Anonymos, überliefert bei Kirchenschriftsteller Eusebius, Histoire Ecclésiastique, ed.Gustave Bardy, V,16,17/LC 9, zit. nach Anne Jensen, Gottes selbstbewusste Töchter, Frauenemanzipation im frühen Christentum?, 2. Auflage, Münster 2003, S. 306)
Den Gläubigen sollte nur eine Ehe erlaubt sein. Sie sollten auch häufiger fasten und vor dem Martyrium der Christenverfolgungen nicht die Flucht ergreifen. Manches war dabei wohl auch auf das Äußere gerichtet, obwohl man gerade die Veräußerlichung der Institution Kirche bekämpfen wollte. Es war offenbar nicht so einfach, die zu diesem Zeitpunkt bereits verschüttete ursprüngliche Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe des Jesus von Nazareth wieder zu beleben, die den Menschen durch Selbsterkenntnis und Bereinigung seiner Fehlhaltungen und Sünden von innen heraus befähigt, die Gebote Gottes einzuhalten. Der wahre Kern des so genannten "Montanismus" war die Betonung der unbedingten Entscheidung für Gott, die der Mensch zu treffen hat, will er dem Reich Gottes und damit seiner wahren Heimat, die nicht diese materielle Welt ist, wirklich zustreben. Denn jegliche Lauheit führt in die Irre. "Wer nicht für Mich ist, der ist gegen Mich", sagt Jesus. Walter Nigg spricht von einem ethischen "Maximalismus", der "eine der beachtenswertesten Erscheinungen innerhalb der christlichen Geistesgeschichte" sei. (Das Buch der Ketzer, S. 136)
Die Kirche nahm die Herausforderung einer Rückbesinnung auf die hohe Ethik der ersten Christen nicht an und entlarvte sich damit zunehmend als Irreführung unter dem fortschreitenden Missbrauch des Namens Christus. Sie entschied sich für einen ethischen Minimalismus, dem ethischen Mäntelchen, das die klerikalen Machtansprüche verdecken soll, so wie sie es bis heute tut, während unter ihren Talaren dann immer wieder Schlimmstes zum Vorschein kommt, was mit Ethik gar nichts mehr zu tun hat. Ebenso wie Markion duldete die frühkatholische Kirche auch Montanus und seine Gefolgsleute nicht in ihren Mauern im Jahre 177 wurden die Urchristen, von der Kirche abwertend "Montanisten" genannt, ausgeschlossen, rund 20 Jahre nach dem ersten Auftreten des Montanus. Menschen, die höhere ethische Anforderungen an sich stellen wollten, wies die Kirche stattdessen den Weg in die von ihr nach und nach aufgebauten Klöster. Doch Einsiedelei und Abschottung von der Welt ist nicht der Weg des Nazareners. In der Abgeschiedenheit des Klosters geht der Mensch den meisten Konflikten auf dem Weg. So fehlt ihm die Möglichkeiten der Selbsterkenntnis und viele alltägliche Begegnungen mit seinem Nächsten, der ihm im Konflikt Spiegel seiner eigenen Sünden sein könnte.
"Mit der Ausscheidung der montanistischen Bewegung aus der Kirche verblasste auch das Prophetische in der Christenheit" so Professor Walter Nigg, der als Theologieprofessor allerdings immer noch die Kirche als Vertreterin des Christentums betrachtete. "Eine Stimme hörte auf zu reden, die niemals hätte verklingen dürfen, denn damit ging eine unmittelbare Lenkung von oben verloren, die durch keine noch so geschickte kirchliche Organisation wettgemacht werden kann." (Prophetische Denker, S. 43)
Die montanistische Bewegung breitete sich noch einige Jahrzehnte lang weiter aus, bis nach Frankreich und Nordafrika, wo sogar der kirchliche Jurist und "Ketzergegner" Tertullian (+ 220) zu ihr übertritt. Mit der systematischen Ketzerbekämpfung durch den römischen Staat auf Betreiben der katholischen Staatskirche ab Ende des 4. Jahrhunderts und im 5. Jahrhundert setzte wieder eine massive Verfolgung ein, welche diese Christen nicht überlebten.
Doch die prophetische Stimme hörte nicht auf zu reden. Nur innerhalb der Kirche war sie bis zum Mittelalter nicht mehr zu hören. Und auch dann, als durch Hildegard von Bingen, Marguerite Porete, Meister Eckhart, Katharina von Siena, Theresa von Àvila Aspekte der göttlichen Wahrheit zu den Menschen kamen, bekämpfte die Kirche diese Stimmen erneut und nahm sie nicht an und ließ viele von ihnen foltern und ermorden. Und auch wenn der eine oder andere dieser Mystiker umgekehrt "heilig" gesprochen wurde und man versuchte, ihn auf diese Weise für die Kirche und ihre Machtzwecke nachträglich zu vereinnahmen, so doch nur als Ablenkung von den widergöttlichen Bestrebungen, die Nachfolger des Jesus von Nazareth auszumerzen und das Wirken des Gottesgeistes auszulöschen.
(4) Origenes und seine Schüler
"Einfach ist die Wahrheit, vielfältig ist die Lüge"
"Das Gute ist einfach und klar; verwirrend vielfältig aber ist das Schlechte. Einfach ist die Wahrheit; vielfältig ist die Lüge. Einfach ist die Gerechtigkeit; vielfältig sind die Möglichkeiten, sie zu erheucheln ... einfach ist Gottes Wort; vielfältig aber ist das Gott entfremdete Wort" (Vom Gebet, 2. Teil, XXI, 2). Mit diesen Worten sprach der große Denker Origenes bis heute gültige Wahrheiten aus.
Bereits im Verlauf des zweiten Jahrhunderts büßte das frühe Christentum seine innere Strahlkraft ein. Rituale wie die Säuglingstaufe, das rituelle Messopfer oder die von Priestern abgenommene Ohrenbeichte traten an die Stelle innerer Vorgänge wie der Geist-Taufe Erwachsener, wie das gemeinsame Liebesmahl oder die Aussöhnung zwischen Streitenden. "Funktionäre" wie die Kassenführer (Bischöfe genannt, von episkopos, Aufseher) oder die Verwalter (Diakone oder Priester) begannen, die Gemeinden zu beherrschen und waren vor allem an einem möglichst großem Zustrom zahlender "Schafe" interessiert. Der Glaube wurde verwässert, Christus zum Beispiel als eine Art antiker Mysterien-Gott hingestellt und damit kalt gestellt, der dem Menschen ohne eigenes Zutun alle Sünden in einem hierzu konstruierten Sakrament abnehmen könne vermittelt eben durch die Religionsmächtigen, die Priester.
Origenes, Arius und die "Arianer"
Ein entschiedener Kämpfer gegen diese Aushöhlung des ursprünglichen
urchristlichen Glaubens und Lebens war der aus Ägypten stammende Origenes (ca.
184-253). Er studierte die überlieferten Texte der Bibel kritisch und
unterschied mit seinem klaren Geist Ursprüngliches von Fälschungen und
Hinzufügungen. Für Origenes, genauer Origenes Adamantios, was
"der Diamantene"
bedeutet, war die sichtbare
Welt ebenfalls eine Folge des Abfalls einiger ursprünglich reiner Geistwesen von Gott.
Durch die Erlösertat Christi auf Golgatha hatten jedoch alle Menschen und Seelen ohne
Ausnahme die Möglichkeit erhalten, mit Christi Hilfe und durch ein Leben nach
den göttlichen Gesetzen wieder in die reinen Welten zurückzugelangen. Dieser
Rückweg kann in wiederholten Einverleibungen erfolgen
Origenes lehrte also die
Möglichkeit der Reinkarnation. Er wandte sich nur gegen die Annahme einer "Seelenwanderung" von Menschenseelen etwa in Tierkörper. Auch eine ewige
Verdammnis lehnte er als unchristlich und als Irrlehre ab.
Doch in einer Zeit zunehmender Christenverfolgung auch Origenes selbst fiel
ihr zum Opfer konnte sich die wieder erweckte Lehre eines Geist- und
Tatchristentums nur vereinzelt gegen die Übermacht der Verflachungskräfte
durchsetzen. Ein gewaltiger Etappensieg für das äußere Macht- und
Scheinchristentum war der Pakt, den Kaiser Konstantin, ein brutaler
Machtpolitiker, im vierten Jahrhundert mit der römischen Kirche schloss. Und
wieder stand ein Verfechter eines inneren Christentums bereit, den geistigen
Kampf aufzunehmen: der ebenfalls aus Ägypten stammende Arius (ca. 260-336), der
unmittelbar an die Lehren des Origenes anknüpfte. Doch die Lehre des Arius,
insbesondere seine Ablehnung der völligen Gleichsetzung von Gott-Vater und
Christus in der amtskirchlichen Dreifaltigkeitslehre, wurde auf dem Konzil von
Nizäa (325) von Kaiser Konstantin verboten. Als Arius nach weiteren geistigen
Kämpfen schließlich dort rehabilitiert wurde, vergiftete man ihn kurzerhand in
Konstantinopel (336).
In der Machtkirche hätte man die Anhänger der Lehre des Origenes, die der frühchristlichen Lehre
entsprach, eigentlich "Origenisten" nennen können. Doch weil Origenes auch in
der Kirche noch immer großes Ansehen genoss, nannten die Theologen der Romkirche
die Anhänger seiner Lehre lieber "Arianer". Der Kampf zwischen Katholiken und Arianern ging im weströmischen Reich noch bis zum Ende des vierten Jahrhunderts
weiter. Teilweise fanden regelrechte Schlachten zum Beispiel um den Besitz von Kirchen
statt; die "Arianer" sanken dabei zum Teil auf das Niveau ihrer Gegner. Dann
sorgte "Kirchenvater" Ambrosius (ca. 333-397) für ihre gnadenlose Verfolgung und
für die Anwendung römischer Strafgesetze gegen sie: Beschlagnahmung von Gebäuden
und Vermögen, Aberkennung bürgerlicher Rechte, Verbannung, Tod. Der Spanier Priscillian, der ebenfalls
von Origenes überlieferte christliche Ideen vertrat, unter anderem eine
vegetarische Ernährung empfahl und das prophetische Wort schätzte, wurde 385 in
Trier enthauptet der erste von der Rom-Kirche ermordete "Ketzer". Von nun an
war klar, was jedem anderen blühen konnte, der nicht den römisch-katholischen
Glauben annehmen wollte.
Doch über eine geografische "Hintertüre" bekamen die Gedanken des Origenes
neuen, ungeahnten Aufschwung: Der Gote Wulfilas (313-383), dessen Vorfahren aus
Kleinasien stammten, lernte in Konstantinopel die Lehre des Origenes kennen und
brachte sie den Goten nahe. Es entstand so etwas wie eine gotische Volkskirche,
die zwar nicht direkt als "urchristlich" bezeichnet werden kann die Goten
waren wie alle Germanen im Gegensatz zu Jesus von Nazareth keine
Pazifisten, sondern in ihrer Mehrzahl eher kriegerisch geprägt. Die gotisch-arianische Kirche kannte
außerdem Priester und Bischöfe, obwohl Jesus solche
nicht eingesetzt hat. Doch diese mussten von ihrer Hände Arbeit leben und waren
verheiratet. Es gab keinen Papst, keinen Kirchenzehnt, keine Heiligen- oder
Reliquienverehrung, keinen Mutter-Gottes-Kult, keine Ohrenbeichte, keine
Kindertaufe, kein rituelles Abendmahl, sondern ein "Brudermahl" nach
urchristlichem Vorbild. Es gab zwar Klöster, aber deren Insassen blieben dort
nur "auf Zeit", also ohne lebenslange Gelübde.
Ideen und Ideale kann man nicht umbringen
Bemerkenswert ist auch die Toleranz der germanischen so
genannten Arianer: In den von ihnen
beherrschten Gebieten machten sie keine Missionierungsversuche und beließen in
der Regel den Katholiken ihre Kirchen. "Religion kann man nicht anbefehlen",
lautete der Grundsatz des in Italien herrschenden Ostgotenkönigs Theoderich
(393-451).
Intolerant gegenüber Katholiken waren zeitweise lediglich die Wandalen,
ebenfalls ein arianischer Germanenstamm, in Nordafrika. Die "Arianer" zeigten
selbst in Kriegszeiten Achtung vor ihren Gegnern, worin das Urchristentum des
Origenes noch hier und da nachwirkte, wenn auch die klare Linie des
urchristlichen Pazifismus dort verloren gegangen ist.
An dieser Stelle ein zeitlicher Sprung ins 6. Jahrhundert: Während der katholisch-byzantinische General Belisar 536 nach der Eroberung der von den Ostgoten verteidigten Stadt Neapel Plünderungen billigte und ein Blutbad anrichten ließ, bei dem selbst katholische Einwohner, welche die Religion der Eroberer teilten, nicht geschont wurden, ließ der Ostgote Totila alle Einwohner nach der Rückeroberung von Neapel 543 am Leben, versorgte sie mit Nahrung und ließ sie gehen, wohin sie wollten, stattete sie teilweise sogar mit Reisegeld aus.
Die meisten der Germanenstämme, die seinerzeit rund um das Mittelmeer siedelten, nahmen den arianischen Glauben an, der noch vielfach vom Urchristentum geprägt war. Erst die Vernichtungskriege Kaiser Justinians im 6. Jahrhundert gegen Wandalen und Ostgoten sowie die Unterwerfungs-Feldzüge der katholischen Franken gegen ihre germanischen Nachbarstämme im 7./8. Jahrhundert sorgten für den Sieg der römisch-katholischen Kirche über diese verhasste "Häresie". Im Jahre 543 ließ Kaiser Justinian die Lehren des Origenes verdammen, nicht zuletzt um die Religion seiner Kriegsgegner, der Ostgoten, in Verruf zu bringen.
Doch die Lehren des Origenes, die unter den Germanen in freilich etwas abgewandelter Form wie hier angedeutet über viele Jahrhunderte Bestand hatten, wichen nur vorübergehend der kirchlichen Gewalt. Es ist sicher kein Zufall, dass ehemals von Goten besiedelte Gebiete, nämlich Oberitalien, Südfrankreich, Bulgarien, Bosnien, in späterer Zeit zum Nährboden für die bogumilische und katharische Bewegung wurden die dann ebenfalls von der Kirche verfolgt und ausgerottet wurden. Doch bereits zur Reformationszeit tauchten in Ungarn und Polen wieder Glaubensgruppen auf, die sich "Arianer" nannten und an den Glauben der längst besiegt Geglaubten wieder anknüpften. Menschen kann man umbringen Ideen und Ideale nicht.
Während Origenes (geboren um 184 vor Christus) von Alexandria in Ägypten aus wirkte, kam nördlich von Babylon in der nächsten Generation im Jahr 216 ein weiterer Gottesbote zu Welt, dessen Einfluss noch weit über das 6. Jahrhundert hinausreichen sollte.
(5) Mani und die "Manichäer"
Kämpfer für die Veränderung des Menschen
Eine Zeit lang sah es so aus, als würde die manichäische Bewegung die römisch-katholische Kirche an Bedeutung und Mitgliederzahl in den Schatten stellen. Doch dann wurde der Katholizismus im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion im römischen Reich. Die Zeit der Christenverfolgung durch die katholische Machtkirche begann.
Wie kommt das Böse in die Welt? Und wie kann man es überwinden?
Diese Grundfragen der Menschheit bewegten gegen Ende des vierten Jahrhunderts
auch den nordafrikanischen Rhetoriklehrer Augustinus (354-430). Er fand zu einer
"katholischen" angeblichen Lösung dieser Frage: "Und so suchte ich, woher das Böse
kommt", schreibt er in seinen Bekenntnissen, "und ich suchte böse und sah das
Böse in meinem Suchen". Augustin verurteilt demnach jegliche Beschäftigung mit
dem Bösen: Dieses ist zu meiden und zu bekämpfen. Mit den Begriffen der heutigen
Psychologie könnte man sagen: Das Böse wird verdrängt. Aus dieser Verdrängung
resultiert dann die Projektion des eigenen Bösen auf den "bösen Anderen": den
Sündenbock, den "Ketzer", den Juden, die "Hexe". Das vermeintliche Heil findet
ein solcher Kirchenchrist in der Befolgung äußerer Regeln und Rituale:
Kirchgang, Beichte, Wallfahrten, Ablässe ...
Augustinus, der bis heute als größter Kirchenlehrer der Antike gilt, wurde
folgerichtig zu einem der ersten "großen" brutalen "Ketzer"-Verfolger
der Kirchengeschichte, der sogar die Folter rechtfertigte, die doch
im Vergleich
zur angeblichen "ewigen Verdammnis" der Seele für den Körper wie eine "Kur" wirke. Mit
besonderem Feuereifer ließ Augustinus eine Bewegung verfolgen, der er selbst
einmal angehört hatte: die von der Kirche "Manichäer" genannten Christen.
Neun Jahre lang (373-382) war der junge Nordafrikaner Augustinus Mitglied
bei den christlichen "Manichäern" gewesen als auditor ("Hörer"), also einfacher Gläubiger. Es
war ihm dabei nicht gelungen, in den Rang eines "electus", eines Auserwählten,
aufzusteigen so nannte man dort diejenigen, die tiefer in die praktische Leben des
urchristlichen Glaubens eingedrungen waren, dessen Grundsätze verwirklichten und andere darüber unterrichten
durften. Augustinus berichtet selbst über seine Gespräche mit dem Manichäer
Faustus (Contra Faustum), die ihm jedoch keine Antwort auf seine Zweifel und
bohrenden Fragen gebracht hätten. Seine notorischen "Zweifel" ließen ihn
schließlich ganz nach unten driften, indem der spätere Kirchenlehrer,
Kirchenvater und Kirchenheilige zum Beispiel
stets brennende und trotzdem nie sterbende Menschenleiber der Nichtkatholiken in
der Hölle lehrte.
Äußere Religion oder Gemeinschaft im Sinne des Freien Geistes?
Die christliche Lehre der so
genannten Manichäer über die Grundfragen des Lebens war
auch eine völlig andere als die katholische, wie sie Augustinus später vertrat. Hier wurde die
Beschäftigung mit dem Bösen nicht abgelehnt sie wurde sogar als eine
Grundvoraussetzung für dessen Überwindung angesehen. Der Mensch muss das Böse in
der Welt und vor allem in sich selbst nüchtern betrachten, um es dann mit Hilfe
des inneren Lichtes, mit der Kraft des im Menschen wohnenden Christus Gottes,
auch "nous" genannt, zu überwinden. Vor dem Sieg des Lichtes über die Finsternis
steht also die Erkenntnis. Für Augustinus hingegen ist diese Erkenntnis
zweitrangig: "Credo, quia absurdum", ich glaube, weil es absurd ist, lautet ein
paradoxer Ausspruch, der von Tertullian stammt, jedoch auch mit dem Denken von
Augustinus in Verbindung gebracht wird.
Wir stehen hier also an einem geistesgeschichtlichen Scheideweg. Sichtbar ist der Grundunterschied zwischen einer äußeren Religion und einer
Gemeinschaft, die sich um innere Werte im Sinne des Freien Geistes sammelt: In der äußeren Religion geht es letztlich um Rituale und Dogmen, um
die Befolgung von äußeren Regeln, mit denen angeblich der Zugang zum jenseitigen
Heil
gesichert werden könne. In Bewegungen, die zuallererst eine Veränderung des
Menschen in seinem Inneren anstreben, geht es um die Wandlung des
inneren Menschen durch Einsicht, Reue, Vergebung, Umkehr und Änderung des Verhaltens.
Wer
waren nun diese "Manichäer" genannten christlichen Gemeinschaften, die zur Zeit des Augustinus zu einer
kraftvollen
Konkurrenz für die römische Machtkirche herangewachsen waren, deren Gemeinden in
späterer Zeit von Spanien bis ins ferne China nachgewiesen sind, auf die sogar
noch Marco Polo stieß, als er 1275 in die Mongolei kam? Das war rund tausend
Jahre nach dem Tod des Gründers der Bewegung, Mani.
Erst im 20. Jahrhundert gelang es aufgrund von sensationellen
Schriftenfunden vor allem in Ägypten, ein unabhängiges Bild dieses
Mannes und seiner Lehre zu zeichnen. Bis dahin war alles, was man
darüber wusste, von der eineinhalb Jahrtausende währenden Verketzerung und
Verfolgung alles "Manichäischen" durch die Kirche geprägt.
Mani, der am 14. April 216 nördlich von Babylon geborene Sohn persischer Adeliger, hieß
zunächst Quirbakhar. Sein Geburtsort liegt an der Schnittstelle der indischen,
persischen und babylonischen Kultur. Bereits im Alter von zwölf Jahren wird dem
Knaben eine erste Offenbarung zuteil: Ein Engelwesen legt ihm nahe, die
Glaubensgemeinschaft der Mandäer, der sein Vater angehört, zu verlassen. Mani
berichtet über diese Erscheinung: "Da kam der lebendige
Paraklet (der von Christus verheißene Tröster-Geist)
zu mir herab und sprach mit mir. Er offenbarte mir das verborgene Mysterium ...,
das Mysterium der Tiefe und der Höhe, ... des Lichtes und der Finsternis ... So
wurde mir alles ... durch den Parakleten geoffenbart."
Mani wies auf Christus hin
Das Phänomen des Inneren Wortes, durch das der Geist Gottes zu
aufbereiteten Menschen spricht, um ihnen Botschaften für die Menschen zu
übermitteln, tritt in der Geschichte immer wieder auf. Der junge Perser wurde
zunächst zwölf Jahre lang durch diese Innenschau unterwiesen, ehe er durch das
Engelwesen, das sich "Al Taun", der Zwilling, nannte, zu öffentlicher
Wirksamkeit berufen wurde. Von da an erhielt er auch den Namen "Mani", was auf
Indisch so viel wie "Edelstein, Kristall" bedeutet und an das "Manas", das
Geist-Selbst, erinnert und auch mit "Mann" und "Mensch" sprachverwandt ist.
Durch Mani entsteht sehr rasch eine umfassende geistige Bewegung, die zeitweise
auch den persischen Königshof erreicht und von dort unterstützt wird. Kernpunkt
der Lehre ist, im Anklang an die alte persische Lichtreligion des Zarathustra,
der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis. Man hat dem Manichäismus oft
vorgeworfen, er beinhalte einen absoluten "Dualismus" von Gut und Böse. Doch das
entspricht nicht der Wahrheit. Mani lehrte vielmehr sinngemäß, dass alles
ursprünglich vereint war, bis das Böse sich vom Guten abspaltete und eigene
Wege beschritt. In diesen kosmischen Kampf griff am Ende ein "Licht-Sohn" von
erhabenster Größe ein, der in das Reich der Finsternis hinabstieg, um mit der
Kraft Seiner Liebe das Böse in Gutes umzuschmelzen. Er verleibte sich in einen
besonderen Menschen ein und überwand den Tod.
Mani wies hier auf Christus und Sein Golgatha-Opfer hin. Für ihn war Christus
der Führer der Seelen zum Licht und er war nicht der Auffassung, was ihm
ebenfalls später vorgeworfen wurde, Christus habe sich gar nicht wirklich
einverleibt (was in der Geschichte "Doketismus" genannt wird). Mani lehrte auch, dass der Geist Gottes auch in der
Materie, in jedem Stein, jeder Pflanze, jedem Tier gegenwärtig ist.
Gewaltlos auch gegenüber Tieren
Mani selbst war auch ein begnadeter Künstler, der den Menschen als
Musiker, Maler und Dichter die Schönheiten des Lebens nahe brachte. Er versah
seine Bücher selbst mit Illustrationen. Seine Haupt-Botschaft war die Liebe, mit
deren Kraft es möglich sei, das Finstere zu erlösen vielleicht könne man auch
sagen: das Finstere zu "zerlieben". Jeder Christ sollte mindestens für einen
Menschen sorgen, der ohne ihn nicht leben könnte, also etwa für einen
Behinderten oder Kranken.
Die Bewegung unter der Anleitung von Mani war keine feste Organisation im
kirchlichen Sinne denn nach ihrer Auffassung sollte sich der Mensch weder an
äußeren Besitz noch an eine äußere Organisation binden; das schwäche den Geist
im Menschen. Die dort versammelten Christen lebten wie ihre Vorgänger vegetarisch und gewaltlos und ihre Leiter
blieben ehelos. Sie glaubten an die Wiederverkörperung und vertraten die
Auffassung, dass jeder Mensch und jede Seele einst wieder zu Gott finden würde.
Sie lehnten die Schriften des Alten Testamentes zum großen Teil ab, weil dort
von einem Gott der Rache die Rede ist, und sie hielten sich stattdessen an die
Bergpredigt Jesu.
Mani selbst wurde zum ersten Märtyrer seiner Bewegung, als neidische Magier des alten Zarathustra-Kultes gegen ihn intrigierten und er beim persischen Hof in Ungnade fiel. Er wurde grausam gefoltert und am 28. Februar 276 gekreuzigt. Die Bewegung, die er ins Leben rief, breitete sich jedoch rasch weiter aus. Erst als die römische Kirche zur Staatsreligion wurde und auf Betreiben von Augustinus und anderen Kirchenoberen die unbarmherzige Verfolgung aller konkurrierenden Religionen begann, wurden den "Manichäern" zunächst alle Versammlungen verboten. Dann wurden ihnen die gesellschaftlichen Rechte aberkannt, und schließlich wurden sie vertrieben, getötet, ihre Schriften vernichtet.
Flüchtende Manichäer gelangten allerdings von Nordafrika nach Italien und legten dort den Grundstein für den späteren Erfolg verschiedener "Ketzerbewegungen". Andere flüchteten nach Armenien. Sie bildeten dort gemeinsam mit Anhängern des Markion und anderen "Ketzern" das Volk der "Paulikianer" (siehe nächstes Kapitel), das wiederum zur Grundlage für die späteren Bewegungen der Bogumilen und Katharer wurde.
Das Licht wird siegen
Die Idee einer Gemeinschaft im Sinne des Freien Geistes, die den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit zum Ziel hat, lebte also weiter. Diese universelle, kosmische Idee kann niemand auslöschen. Manichäische Ideen begegnen uns sogar in Goethes Faust der wohl nicht zufällig so heißt wie der von Augustinus geschmähte Manichäer Faustus. Faust, der durch alle Irrtümer hindurch "strebend sich bemüht", das Gute zu erkennen und zu tun, wird am Ende erlöst nicht, weil er sich an äußere Rituale gehalten hat, sondern weil er auf seinem Erkenntnisweg aus seinen Fehlern gelernt hat.
Literatur:
Rudolf Kutzli, Die Bogumilen, Verlag Urachhaus
1977
(6) Die Christen in Kleinasien, die "Paulikianer"
Tausende "Begleiter des Volkes" gesteinigt, verbrannt, geköpft
Die Romkirche
ließ im Laufe der Spätantike immer wieder jede christliche Gemeinschaft
verfolgen und zerschlagen, die
Anschluss an das frühe Christentum suchte seien es die von ihr in abwertender
Absicht so genannten "Markioniten",
"Montanisten", "Origenisten" bzw. "Arianer" oder "Manichäer". Sie wurden geächtet, enterbt,
ausgestoßen, ermordet, von Land zu Land gehetzt. Immer wieder jedoch entkamen
einzelne Gläubige oder ganze Gruppen den Nachstellungen der sie im Auftrag der
Macht-Kirche verfolgenden staatlichen Häscher, und sie flüchteten in
Nachbarregionen. In Anatolien, der heutigen Türkei, bildete sich aus den
Versprengten dort, wo einst vor allem die manchmal "neue Prophetie"
genannte Bewegung der "Montanisten"
wirkte, wieder ein christliches Volk, vom katholischen Klerus abschätzig
"Paulikianer" genannt und unter diesem Namen in der
Geschichtsschreibung bekannt, da sie sich unter anderem, ähnlich wie einst
Markion, an Schriften des
Apostels Paulus orientierten bzw. auch an Paulus von Samostata, dem ehemaligen
Bischof von Antiochien (260-268), für den Jesus von Nazareth nicht die zweite
"Person" der kirchlich erfundenen Dreieinigkeit-Konstruktion war, sondern Mensch
wie alle anderen auch, jedoch in Seinem Tun und Denken ganz mit Gott und dem
Göttlichen geeint, weswegen die Romkirche auch ihn schließlich als "Häretiker"
exkommunizierte und verfluchte.
Von Zarathustra über die
"Mazdakisten" zu Christus
Nach den Untersuchungen des Historikers Rudolf Kutzli waren auch zahlreiche so genannte "Mazdakisten" in dieser Zeit von Persien zunächst nach Armenien geflohen und schlossen sich teilweise den Christen in Kleinasien an. Die "Mazdakisten" beriefen sich auf Zarathustra (6. Jahrhundert vor Christus), und sie verkündeten eine Religion der universellen Brüderlichkeit: Jeder Mensch habe in gleicher Weise einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein. Diese Nachfolger des Zarathustra wurden nach vorübergehender Duldung von den persischen Königen scharf bekämpft, denn sie stellten das feudale Ausbeutungssystem des Großgrundbesitzes in Frage. Auch die Priesterkaste wurde von den so genannten Mazdakisten für überflüssig erklärt, wobei sie sich auf Texte des Zarathustra berufen konnten, wie zum Beispiel: "Euch frage ich, die ihr euer Heil Priestern und Fürsten anvertraut! Nun ist die Erde ihre Beute! ... Macht uns die Erde wieder frei! Ein Opfer ist sie jetzt für Rasende. Priester und Fürsten engen das Leben ein, aber mit dem Leben werden wir siegen!"
Keine Priester, Hinwendung zum Inneren Licht und Urdemokratie
Diese Zeilen
über den schon damals beklagten Raubbau an der Mutter Erde klingen heute, im Zeitalter des
bevorstehenden Klimakollaps, sehr aktuell.
Zarathustra lebte fünf Jahrhunderte vor Christus, doch in vieler Hinsicht nahm
er Aspekte der Botschaft von Jesus von Nazareth vorweg auch wenn, wie bei fast
allen großen Religionsgründern, seine Lehre später verfälscht und ebenfalls zu
einer ritualisierten äußeren Religion gemacht wurde. Den Mazdakisten ging es in
erster Linie um die innere Befreiung des Menschen, um seine Hinwendung zum
Inneren Licht: "Wann wird es aufgehen, das Morgenrot jener Tage, wo die
Menschheit sich wendet zum Inneren Licht, zum Lichte der Wahrheit? Doch sei,
wann es wolle ... Ich will mich mühen, als sei es schon Zeit." (Zarathustra)
Das urdemokratische Element der Mazdakisten zeigte sich später auch in der inneren Haltung der Paulikianer. Ihre geistigen Führer lehnten jede Machtausübung ab. Sie bezeichneten sich, wie ihre Vorläufer in den frühchristlichen Urgemeinden, als "Begleiter des Volkes", und sie wurden auch vom Volk gewählt. Sie unterschieden sich in Kleidung und Lebensweise nicht von anderen Gemeindemitgliedern. Jeder Christ war dazu aufgerufen, selbst das Neue Testament zu lesen und auszulegen und das wahre Christentum in sich zu ergründen, Gott in uns. Die einzelnen Glaubensinhalte der paulikianischen Christen sind nur indirekt zu erfahren, weil fast nur Berichte ihrer kirchlichen Gegner erhalten geblieben sind. Dies gilt übrigens für die meisten der von der Kirche verfolgten Gruppen. So sollen sie geglaubt haben, dass Christus nur scheinbar Mensch gewesen wäre und dass auch das Böse von Ewigkeit her Bestand gehabt hätte, doch ist dies wahrscheinlich eine bewusste Verzerrung und Verleumdung ihrer Botschaft, da Christus, der Sohn Gottes und Mitregent des Reiches Gottes, ja in dem irdischen Menschen Jesus von Nazareth inkarniert war, aber das Geistwesen Christus und der Mensch Jesus nicht identisch zu setzen sind. Und natürlich entstand das Böse aus dem Fallgeschehen heraus innerhalb der guten Schöpfung des urewigen Gottes, wurde also nicht später "erschaffen" und kann auch wieder in den göttlichen Ur-Strom umgewandelt werden.
Die Versuchung einer Verteidigung
mit Gewalt
Wir sehen an diesem Beispiel, dass es schwierig war, den Glauben und das geistige Wissen des ursprünglichen Christentums rein und unverfälscht durch die Wirren der zahlreichen Verfolgungen urchristlicher Glaubensbewegungen in der Antike und im Mittelalter hindurch zu retten, da die Kirchen-Macht gegenüber den ihr nicht Hörigen immer auf Zensur und Rufmord und letztlich immer wieder Ausmerzung aus war. Allerdings schlich sich auch in diese urchristliche Gemeinschaft so manche Abweichung oder Verwirrung ein. Das gilt zum Beispiel für die Frage der Gewaltanwendung. Die Paulikianer waren keine Pazifisten wie Jesus von Nazareth, sondern versuchten sich auch militärisch gegen die zahlreichen Angriffe und Ausrottungsversuche vor allem des byzantinischen Staates zu verteidigen, dessen Kaiser durch die Priesterkaste zur Verfolgung der "Häretiker" aufgestachelt wurden. Immer wieder wurden Tausende von Paulikianer gesteinigt, verbrannt, geköpft. Doch ist angesichts dieser exzessiven und grausamen Verfolgung auch besser verstehbar, wenn Christen die ihnen von Christus gebotene Gewaltlosigkeit nicht durchhielten, auch wenn sie damit gemessen an der Botschaft des Jesus von Nazareth dadurch einer Versuchung erlegen sind, für die sie letztlich auch die schwerwiegenden Folgen tragen mussten.
Keine Bildnisse von Gott, Aufhebung des Leibeigenschaft
Im 8. Jahrhundert erhielten die Verfolgten allerdings eine Atempause. Die Paulikianer unterstützten Kaiser Leon III. (680-741) in der Frage des Bilderstreits, der das oströmische Byzanz über Jahrzehnte in Atem halten sollte. Wie der Kaiser waren sie der Auffassung, dass der Mensch sich keine Bildnisse von Gott machen oder diese gar anbeten sollte. Heiligenverehrung und den Marienkult lehnten sie ohnehin ab. Auch übernahm Kaiser Leon III. urchristliche Prinzipien in die Politik. Er löste teilweise den Großgrundbesitz auf, hob die Leibeigenschaft der Bauern auf, verteilte an sie Land und schuf Genossenschaften. Die Armen erhielten kostenlose Rechtsprechung, die Stellung der Frau wurde erheblich verbessert.
Welcher Geist
sprach nun aus den neuen Gesetzen? In ihnen steht zum Beispiel zu lesen:
"Gott hat
den Menschen geschaffen und mit Freiheit geschmückt ... Die Gerechtigkeit, die
Botin vom Himmel, ist das höchste irdische Gut, ... die höchste Sorge des
Kaisers"? Der Historiker Rudolf Kutzli ist der Ansicht, dass diese Gesetze
unverkennbar von paulikianisch-christlicher Ethik geprägt waren.
Bereits Ende des 8. Jahrhunderts jedoch begannen wieder grausame Verfolgungen der Paulikianer. Sie hatten zu dieser Zeit aber bereits auf dem Balkan Fuß gefasst. Andere Christen flüchteten an den Euphrat wo sie der muslimische Emir wesentlich toleranter behandelte als der "katholische" Kaiser oder über Nordafrika bis nach Frankreich. Ihr Wirken war wiederum der Same für weitere Gemeinschaften, welche zur Lehre von Christus zurückkehren wollten.
Von der kirchenheiligen Kaiserin befohlenes
Massaker und qualvolle Foltertode
Einen Höhepunkt erreichte ihre blutige
Verfolgung im Jahr 843, nachdem Kaiserin Theodora II. (815-867) gleich nach ihrem
Amtsantritt in Konstantinopel die Verehrung der Bilder wieder einführte und die
Bekehrung der Christen zum katholisch-orthodoxen Kirchenglauben befohlen hatte. 100.000 Paulikianer, die sich nicht unter die Zucht des Baal und unter sein Machtkonglomerat
zwingen ließen und die ihren Glauben nicht widerriefen, wurden den Chroniken
zufolge grausam hingerichtet. So wird auch berichtet, dass der Vater von Karbeas, eines Anführers
der Paulikianer, gepfählt wurde.
Die geflüchteten "Paulikianer" sammelten sich erneut und verbündeten sich unter anderem mit den arabischen Muslimen. Ca. 30 Jahre später wurden sie jedoch in weiteren Schlachten vernichtet. Nur einige Überlebende konnten auf den Balkan umsiedeln. Und dort wurde bald darauf ein weiterer Versuch unternommen, das Urchristentum wieder in die Tat umzusetzen.
(7) Die "Bogumilen", die Gottesfreunde auf dem Balkan
Das innere Licht zum Leuchten bringen
Sie verzichteten auf alle äußeren Rituale und Zeremonien, weil sie Gott in ihrem Inneren fanden. Die Bewegung der Bogumilen konnte sich fast ein halbes Jahrtausend auf dem Balkan halten. Als auch sie auf Betreiben der Priesterkaste vernichtet wurde, hatte sie längst Samen ausgestreut ...
Mönche der Kirche lebten in Saus und Braus
"Wenn aber ein armer Wandersmann von weit
her kommt und die Türme des Fürstenhofes erblickt, so verwundert er sich ... und
stellt Fragen ... Wenn er aber den Fürstenhof betritt und sieht die hohen
Paläste und Kirchen, außen mit Stein, Holz und Farbe, innen mit Marmor und
Kupfer reich verziert, so weiß er nicht, womit er das alles vergleichen soll,
denn in seinem Lande hat er nie etwas anderes als strohgedeckte Hütten gesehen,
und der Arme beginnt den Verstand zu verlieren."
So beschreibt ein Zeitzeuge die Kluft, die im 10.
Jahrhundert zwischen der einfachen Landbevölkerung Bulgariens und dem Zarenhof
in der Hauptstadt Preslav bestand
(zit. nach Katja Papasov, Christen oder
Ketzer die Bogomilen, Ogham-Verlag, Stuttgart 1983, S. 122). Nicht nur die Fürsten und Bojaren, auch die
hohen Kleriker stützten sich nach byzantinischem Vorbild auf zahlreiche
Privilegien und umfangreichen Grundbesitz. Dies betraf auch viele der orthodoxen
Klöster:
"Die Mönche lebten in Saus und Braus, kleideten sich in prächtige
Gewänder, waren von zahlreichen Dienerschaften umgeben, aßen teure Speisen,
ritten schöne Pferde und plünderten ihre Untergebenen grausam aus. Die Bauern
mussten alle Staatssteuern in Sachwerten abliefern, die Bodensteuer, die
Herdsteuer, die Viehsteuer, die Bienensteuer und andere. Zusätzlich legte noch
die Kirche den Bauern beträchtliche Abgaben auf." (Papasov, S. 124)
Anmerkung: Die unterschiedliche Schreibweise "Bogumilen" oder "Bogomilen" ergibt sich aus unterschiedlichen Möglichkeiten der Transkription aus der kyrillischen in die lateinische Schrift: buchstabengetreu [o] oder aussprachegetreu [u].)
Umwälzung lag in der Luft
So ist es kein Wunder, wenn sich angesichts dieser Zustände unter der
geplagten Landbevölkerung "verschiedene ketzerische Lehren" breit machten. Der
katholisch-orthodoxe Priester Kosma berichtet davon, natürlich in abfälliger Weise:
"Es geschah, dass zur Herrschaftszeit des
rechtgläubigen Zaren Peter ein Pope namens Bogumil (deutsch: Gottesfreund) in
den bulgarischen Landen auftauchte, der besser Bogunemil (der nicht von Gott
Geliebte) genannt werden sollte. Er war der erste, der ketzerische Lehren in
bulgarischen Gebieten predigte."
Der "ketzerische" Gemeindevorsteher (= Synekdemos) Bogumil lebte vermutlich von
913 bis 963 und begann sein öffentliches Wirken um 935. Er war eine
Persönlichkeit, die auch durch seinen Charakter und seine Ausstrahlung viele
Menschen überzeugte. Manche beziehen den Namen "Bogumilen" auf ihn. Doch
zutreffender ist, den Namen auf alle ehrlichen Mitstreiter zu beziehen, eben auf
die Bogumilen = Gottesfreunde, die das Reich Gottes, in sich erschließen
wollten, um es dann auch im Äußeren entstehen lassen zu können. So bildete sich
eine große Bewegung, die ein halbes Jahrtausend Bestand
hatte. Auch die
unerträglichen sozialen Verhältnisse Bulgariens trugen zu ihrem Anwachsen bei,
waren aber nicht ihre letzte Ursache,
sondern eher Auslöser und Verstärker einer Umwälzung, die "in der
Luft" lag.
Die Bulgaren sind ursprünglich ein turksprachiges Reitervolk, das, aus
Zentralasien kommend, im 7. Jahrhundert in den Balkanraum vordrang. Dort
vermischten sie sich allmählich mit den ansässigen Slawen und übernahmen deren
Sprache. In Asien hatten sie engen Kontakt zum Volk der Uiguren gehabt. Bei
diesen war die Lehre des christlichen Manichäismus lange Zeit verbreitet, zeitweise sogar als
"Staatsreligion". Auf dem Balkan wiederum trafen die Bulgaren unter anderem auf
die christlichen "Paulikianer", die man zu dieser Zeit als geistige Erben der
manichäischen Bewegung bezeichnen
könnte. Der Boden war also vorbereitet für eine Erneuerung des Urchristentums.
Die Gottesfreunde verbreiteten sich sehr rasch in Bulgarien und in den angrenzenden
Ländern Mazedonien, Serbien und Bosnien. Der Kern ihrer Lehre war, dass der
Mensch ohne Vermittlung einer äußeren Instanz oder Institution in ein
unmittelbares Verhältnis zu Gott treten kann. Deshalb bauten sie, jedenfalls in
der Anfangszeit, keine äußeren Kirchen, sondern trafen sich in schlichten
Versammlungsräumen. "Das Herz des Menschen ist die wahre Kirche Christi", sagte
ein Gottesfreund, als er vor einem Inquisitionsgericht verhört wurde. (Rudolf Kutzli,
Die Bogumilen, Verlag Urachhaus Stuttgart 1977, S. 159)
Erfahrung statt Tradition
Die Bogumilen pflegten auch keine
Rituale oder liturgischen Zeremonien. Sie wollten das christliche Leben nicht
auf Tradition, sondern auf spirituelle Erfahrung gründen. Sie trafen sich zu
einer feierlichen Tischgemeinschaft nach dem Vorbild des urchristlichen
"Liebesmahls". Sie kannten keine Priesterhierarchie, sondern lediglich eine
Unterteilung ihrer Anhänger in "Vollkommene", "Glaubende" und "Zuhörer".
Letztere würde man heute als "Sympathisanten" bezeichnen; die "Glaubenden" waren
Vollmitglieder der bogumilischen Gemeinden. Die "Vollkommenen" zeichneten sich
durch eine enthaltsame Lebensweise aus, vor allem aber durch eine natürliche
Autorität, die allein auf ihrer inneren Entwicklung beruhte, auf dem
"Maße des
inneren Lichtes", das der Mensch "zum Leuchten gebracht hatte" (Kutzli, a.a.O.).
Zu einem "Vollkommenen" wurde man durch die "Geisttaufe" das einzige
so genannte "Sakrament", das die Bogumilen kannten.
Die bulgarischen "Gottesfreunde", zumindest die "Vollkommenen" und die
"Glaubenden" unter ihnen, lebten vegetarisch und waren
gewaltlos. Sie wollten nicht das Göttliche, das in allem lebt, töten. Sie sahen
es als ihre Aufgabe an, nicht nur sich selbst mit der Hilfe des inneren Christus
zum Licht hin zu entwickeln, sondern auch das Böse in der Welt durch ihr Vorbild
und ihre Liebe allmählich mit zu erlösen. So wollten sie das kommende "Reich des
heiligen Geistes" vorbereiten. Sie glaubten an die Möglichkeit einer
Wiederverkörperung der Seele, nicht aber an eine ewige Verdammnis, wie es in der
Romkirche mittlerweile dogmatisiert war. Sie lehnten
die Verehrung des Kreuzes mit Korpus ab, hinterließen aber eine Fülle von Licht-
oder Lebenskreuzen ohne Korpus.
Das Böse war nach Auffassung der Bogumilen durch den Sturz "Satanaels" aus dem Himmel entstanden.
Aus diesem "Engelsturz" entstand auch die Materie und der Planet Erde. Weil aber Satanael den Menschen nicht das Leben einhauchen konnte, verlieh Gott jedem
Menschen einen "Geist-Funken" aus Seinem Licht. Daraus ergibt sich die innere
Zwiespältigkeit des Menschen: Äußerlich gehört er der Materie, innerlich Gott
an.
Ablehnung der teuflischen Inspirationen in der Bibel
Die Anschuldigung kirchenkonformer
Theologen, die Bogumilen seien
Anhänger eines "radikalen" so genannten "gnostischen" Dualismus, wonach seit Urzeiten die
Prinzipien Gut und Böse angeblich gleichberechtigt nebeneinander bestehen würden,
zählt also zu der üblichen klerikalen Rufmord- und Verleumdungsstrategie gegen
Andersdenkende.
Was in der Geschichtsschreibung bei ihnen als "Dualismus" bezeichnet wird, ist
das Wissen um einen geistigen Kampf zwischen Gut und Böse, wonach Gott, die
Macht des Guten, der Ursprung allen Seins und
stärker als das Böse ist, das dereinst besiegt sein wird.
Wenn den Bogumilen bis heute auch unterstellt wird, sie hätten nur an
eine Schein-Existenz des Jesus von Nazareth auf der Erde und an eine
Schein-Kreuzigung geglaubt ("Doketismus" genannt), so beruht dies wie
ebenfalls auf den üblichen Verleumdungen bzw. einem gezielten Missverstehen-Wollen
der Nachfolger Jesu durch die Amtskirchen, um sie mit allen Mitteln
niederzumachen bis letztlich zu Folter und Hinrichtung. In Wirklichkeit glaubten
sie, dass der innere Kern der Persönlichkeit des Jesus
von Nazareth, sein Wesen, nämlich der Christus Gottes, der in den Menschen
Jesus inkarniert war, nicht von dieser Welt ist und deshalb
auch nicht getötet werden konnte.
Weil sie im Alten Testament der Bibel sehr viele Aussagen fanden, die sie mit
einem liebenden Gott nicht in Einklang bringen konnten, lehnten die Bogumilen
dieses Buch weitgehend ab, erkannten nur die Psalmen und die Bücher von sechs
Propheten als von Gott gegeben an, nicht aber beispielsweise die
Bücher, die fälschlicherweise Mose zugeschrieben wurden. Der Tatbestand, dass diese Bücher, wie so vieles
andere, auch noch viele Teilwahrheiten enthielten, aber von der damaligen Priesterkaste
und ihren Schriftgelehrten verfälscht worden waren, war ihnen
offenbar nicht mehr geläufig hatte doch die Kirche die tiefschürfende
Textkritik zum Beispiel eines Origenes schon viele Jahrhunderte zuvor verketzert und
weitgehend ausradiert. So zogen die Bogumilen aus ihrer Sichtweise, das dort
Inspirationen des Teufels zu lesen sind (vgl. Der
Theologe Nr. 8), laut den Worten von Jesus von Nazareth dem
"Vater der Lüge, der ein Mörder war von Anfang an"
(Johannes 8, 44), den Schluss, einzelne Bücher entweder ganz anzuerkennen oder nicht.
Schlicht und klar statt katholisch oder orthodox
Die Lehre und Lebensführung der Bogumilen war in ihrer
Schlichtheit und Klarheit nicht nur eine Gefahr für den Machtanspruch der
etablierten Kirche und deren Vereinnahmung von Christus, für
die römisch-katholische ebenso wie für die seit 1054 von ihr getrennte orthodoxe. Diese
Bewegung bedrohte auch die feudale staatliche Ordnung, die auf
Ausbeutung und Unterdrückung angelegt war: Sie entzog einer religiösen
Anschauung, die Sklaverei und Leibeigenschaft, Reichtum und Ausbeutung
rechtfertigte, den Boden. Und so kam es, wie es dem Wesen der inquisitorischen
Kirchenmacht nach sich abzeichnete: Während die
Bogumilen jeglichen Glaubenszwang ablehnten und die Freiheit des menschlichen
Willens betonten, brachten ihnen die kirchlichen und staatlichen Institutionen
das Gegenteil davon entgegen: Die bogumilische Bewegung wurde im byzantinischen
Reich, in Bulgarien, in Serbien immer wieder verketzert und grausam bekämpft. So
ließ der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1018-1116) den bogumilischen
Gemeindevorsteher Basileios an den byzantinischen Hof nach Konstantinopel (heute
Istanbul) rufen, angeblich, um sein Anhänger zu werden. In Wirklichkeit ließ er
das Gespräch von hinter einem Vorhang versteckten Lauschern mitschreiben und die
angereiste Delegation der Bogumilen anschließend von einem Inquisitionsgericht
verurteilen und bei lebendigem Leib verbrennen.
Ausgestochene Augen und andere grausame Verfolgungen
Bereits vor Alexios hatte sein Vorgänger Basileios II. (976-1025) dreißig Jahre
lang Krieg gegen den westbulgarischen Zaren Samuel geführt, der mit den
Bogumilen sympathisierte und ihnen Glaubensfreiheit gewährte. Nach der blutigen
Schlacht von Kljutsch (1014) nahm das katholisch-byzantinische Heer des Basileios 14.000
bulgarische Soldaten gefangen. Auf Befehl dieses Kaisers wurden
allen Gefangenen die Augen ausgestochen nur jedem Hundertsten wurde ein Auge
belassen, damit er die übrigen "heimführen" könne, so die zynische Begründung. Diese grausame Verstümmelung
sollte offenbar eine Verhöhnung der bogumilischen Lehre des "inneren Lichtes"
sein. Als Zar Samuel seine Soldaten so herankommen sah, starb er gebrochenen
Herzens. Und Kaiser Basileios II. erhielt den Beinamen "Bulgaroktos",
Bulgarenschlächter, worauf er auch noch stolz war. Bis heute erinnert ein
kleines Kloster am Vodoca-See (von "vadi oci", Augen ausreißen) in der Nähe des
Schlachtfeldes im heutigen Mazedonien an dieses grausame Kriegsverbrechen des
kirchengläubigen Herrschers.
Auch die spätere katholische Kirche, die seit 1054 aufgespalten ist in
katholisch und orthodox, bekämpfte die angebliche "Irrlehre" mit
allen ihren Kräften. Das Heer des
vierten Kreuzzugs, das später statt des "heiligen Landes" das orthodoxe Byzanz
erobern sollte, zog im Jahre 1202 von den Venezianern (die das Unternehmen
finanziert hatten) zunächst gegen die dalmatinische Stadt Zadar im heutigen
Kroatien mit der Begründung, dort lebten "bogumilische Ketzer". Mehrfach ließ
der Papst "Ketzerkreuzzüge" gegen die Bogumilen ausrufen.
Nachfahren wurden lieber Moslems als Katholiken
Trotz aller Verfolgungen verbreitete sich die Lehre der "Gottesfreunde" weiter. Zeitweise fand sie für einige Jahrzehnte staatlichen Schutz so zu Beginn des 11. Jahrhunderts im westbulgarischen Reich (dem heutigen Mazedonien) um den Ohrid-See oder im 13. und 14. Jahrhundert in Bosnien. Dort bildeten die Gemeinschaften der Gottesfreunde auf dem Balkan zeitweise sogar eine Art Staatsreligion. Doch auch deren Tage waren gezählt. Als die Türken nach der Schlacht gegen die Serben auf dem Amselfeld (1389) auf dem Balkan weiter vordrangen, verweigerten die katholischen Nachbarn den bosnischen "Ketzern" jegliche Hilfe es sei denn, sie wären zum Katholizismus übergetreten. Dazu waren die Bosnier jedoch nicht bereit. Die Türken rotteten die bosnische Oberschicht weitgehend aus; die einfachen Bauern begaben sich notgedrungen unter türkische Oberhoheit und nahmen in der Folgezeit fast alle den muslimischen Glauben an. Ihre Nachfahren sind die heutigen bosnischen Muslime.
Kirche kann Geist des Urchristentums nicht ausrotten
Doch die Kirche ahnte selbst, dass der
bei den Bogumilen wieder auferstandene
Geist des Urchristentums nicht ausgelöscht werden kann. Papst Pius II. (1458-1464)
musste feststellen, dass die Kirche kaum jemals einer Bewegung so heftig und mit
solch scharfen Mitteln entgegengetreten sei. Dennoch sind alle inquisitorischen Anstrengungen
der Kirche gegen diese von ihr verleumdeten angeblich "schlechten Menschen", die sich
nur "gute Christen" nennen würden,
letztlich erfolglos geblieben.
Denn bereits lange vor dem Ende der Bogumilen auf dem Balkan hatte die
Lehre sich über ganz Europa verbreitet. Flüchtende Bogumilen setzten von
Albanien nach Italien über. Andere fanden in der Ukraine und in Russland eine
neue Heimat. Das berühmte orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos in Griechenland
war lange Zeit bis ins 14. Jahrhundert hinein ein Bollwerk des Bogumilentums.
Große Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte wie der römische
"Ketzer-Revolutionär" Arnold von Brescia, der kalabresische Abt
Joachim von Fiore,
der Dichter Dante Alighieri könnten von Nachklängen dieser Bewegung beeinflusst
worden sein. Sogar der von der katholischen Kirche vereinnahmte "Heilige"
Franziskus von Assisi zeigte in seiner Naturverbundenheit und Schlichtheit eher bogumilisch-urchristliche Züge schließlich wurde
"sein" Orden der Franziskaner gegen seinen
Willen gegründet, und seine treuesten Schüler (Spiritualen oder
Apostelbrüder genannt) wurden zu
Hunderten ebenfalls auf den Scheiterhaufen der Inquisition der römischen
Papstkirche verbrannt.
Vor allem aber steht fest, dass es intensive Kontakte zwischen den Bogumilen des
Balkans und den Katharern Südfrankreichs und Italiens sowie den "Gottesfreunden"
des Rheinlands gab. In Deutschland wurde die Erinnerung an sie jedoch durch die
katholisch ausgerichtete und zensierte Geschichtsschreibung weitgehend
ausgemerzt. Sie ist teilweise noch enthalten in den Überlieferungen über die
Brüder und Schwestern des Freien Geistes, über die in den nächsten Kapiteln
weiter berichtet wird.
Lesen Sie dazu Der Theologe Nr. 77 Auf den Spuren der Bogumilen, der Urchristen auf dem Balkan
(8) Die Katharer
Das Gute durch das eigene Leben bezeugen
Zwei Frauen, die allein unterwegs waren das erregte Verdacht. Sie wurden aufgegriffen, verhört und "überführt". Als man sie nämlich aufforderte, ein rasch herbeigebrachtes Huhn zu töten, weigerten sie sich. Ehe die Katharerinnen Séréna und Agnès de Châteauverdun auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, verlangten sie als letzte Bitte nach frischem Wasser, um sich die Gesichter waschen zu können, die sie zur Tarnung geschminkt hatten. Sie wollten nicht so "bemalt" vor ihren Herrn treten.
Mit "größter Freude" verbrannt
Dies geschah in Toulouse, wahrscheinlich im Jahr 1247, also zu einer Zeit, als der
"Ketzerkreuzzug" (1209-1229)
des Papstes gegen die Katharer längst beendet, als auch die berühmte
Katharerfestung Montségur schon gefallen war (1244). Das einst so freie und tolerante Okzitanien
war unterworfen und Frankreich einverleibt. Inquisitoren durchkämmten nun
systematisch Dorf um Dorf, Straße um Straße, Haus um Haus, um die letzten
versprengten Christen aufzuspüren und auch diese zu ermorden.
Sie werden von den Häschern des Papstes "mit größter Freude"
niedergemetzelt wie die
400 Katharer, die Anfang Mai 1211 in dem Pyrenäendorf Lavaur bei lebendigem Leib verbrannt werden,
nachdem sie das katholische Ave Maria nicht hersagen konnten. Die schwangere
Donna Geralda, Katharerin und Schlossherrin in dem "Ketzernest", wird in einen
Brunnen gestoßen und mit Steinen beworfen, bis man ihr Wimmern nicht mehr hört.
Ihr Bruder Améric von Montreal wird mit 80 Rittern, Edelleuten und Troubadouren
zum Richtplatz geführt. Améric wird als erster gehängt doch der für 80
Verurteilte errichtete Riesengalgen bricht schon unter dieser ersten "Last" zusammen.
Die Zimmerleute hatten es falsch berechnet. Simon von Montfort, der
Oberbefehlshaber des vom Papst angeordneten Ketzerkreuzzugs, wollte aber "keine
Zeit verlieren". Er lässt die Ritter deshalb abstechen.

"So also, meine Teuren, verfolgt sie, ergreift sie und zögert nicht, sie alle umkommen zu lassen!" Doch selbst dieser grausame Scharfrichter musste zugeben, "dass es nichts Christlicheres gebe als diese Häretiker; was ihre Unterhaltung angehe, so könne nichts Tadelnswertes gefunden werden, und mit ihren Worten stimmten auch ihre Taten überein. Was die Sittlichkeit der Ketzer anbelange, so betrügen und bedrückten sie keinen, ihre Wangen seien bleich vom Fasten, und mit ihren Händen arbeiteten sie für ihren Lebensunterhalt." (Walter Nigg, Das Buch der Ketzer, Zürich 1986, S. 226)
Tatsächlich wurden viele Katholiken für Urchristen gehalten, wenn sie zu blass aussahen, und Johann Teisseire aus Toulouse musste, um einer Verurteilung als Häretiker zu entgehen, den Eid leisten: "Ich bin kein Ketzer, denn ich habe eine Frau und schlafe bei ihr, ich habe Kinder und esse Fleisch, ich lüge, schwöre und bin ein gläubiger Christ, so wahr mir Gott helfe!"
Machtdemonstration der katholischen Kirche gegen die Katharer in Südfrankreich. Die Vorläufer der heutigen "Sektenbeauftragten" genießen ihren Triumph. Während die Jesusnachfolger auf den Scheiterhaufen grausam ermordet werden, erheben die Vertreter der Papstkirche ihr Kreuz mit dem ermordeten Jesus von Nazareth, der auf Betreiben ihrer Vorgänger, der damaligen Priesterkaste, gekreuzigt wurde.Die Katharer erhielten vor allem in Südfrankreich großen Zulauf, wo ein freies, tolerantes Klima eine kulturelle Blüte ermöglichte. Die Troubadoure (die "Finder") konnten sich auf literarischem Gebiet ebenso entfalten wie die katharischen Wanderprediger auf religiösem Terrain. Die einfache Lebensweise und der sittliche Ernst der Katharer überzeugte das Volk mehr als die Prasserei und Verderbtheit eines großen Teils des römischen Klerus. Auch wenn die herrschenden Ritter, Grafen und Fürsten selbst keine Katharer wurden (als solche hätten sie die Waffen niederlegen müssen), so schlossen sich häufig ihre Frauen oder Töchter dieser Bewegung an. Viele Ritter waren empört über die Einmischung des Papstes in die freie Lebensart des Südens und versuchten, ihre politische und religiöse Freiheit gegen den absolutistischen und bis heute nur etwas verbrämten Machtanspruch der Romkirche zu verteidigen, die sich mit den Eroberungsgelüsten der französischen Herrscher Philipp II. August (1179-1223), Ludwig VIII. (1223-1226) und Ludwig IX. (1226-1270, später "kirchenheilig" gesprochen) in Paris liiert hatte. Der Kreuzzug gegen die Katharer war also ein religiöser und ein politischer Feldzug der Süden Frankreichs verlor im Äußeren am Ende beide.
Doch ehe die Kirche zu diesem in ihren Reihen beliebten "letzten" Mittel der Vernichtung griff, konnte sich das urchristliche Leben der "Freunde Gottes", wie sie sich selbst nannten, unter dem Schutz seiner toleranten Herrscher im Süden Frankreichs entfalten. Bei den "Albigensern", wie sie nach einem ihrer Hauptorte, der Stadt Albi, auch bezeichnet wurden, sind drei Gruppierungen bekannt: In der Hauptverantwortung standen die parfaits, die "Vollkommenen" vermutlich nur wenige hundert Männer und Frauen, die sich ganz in den Dienst der Verbreitung dieser Lehre stellten und auch ehelos lebten, um sich ganz ihrer Aufgabe widmen zu können. Sie trugen teilweise weiße Gewänder als Sinnbild des Strebens nach absoluter Reinheit in Gedanken, Worten und Taten. Die Gemeinde im engeren Sinne bildeten die croyants, die "Gläubigen". Sie trugen meist dunkle Gewänder auch das ein Symbol, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihre Seele zwar im Körper einverleibt war, aber diese Welt nicht als ihre Heimat betrachtete. Die Gläubigen lebten zum Teil in der Ehe und hatten Kinder; auch in dem Bewusstsein, weiteren Seelen die Möglichkeit zur Inkarnation zu geben. Denn die Katharer glaubten, wie die ersten Christen, an die Reinkarnation, was auch Teil der Lehre von Jesus von Nazareth war und bis heute ist. Die dritte Gruppe bildeten wie bei den Bogumilen die auditores, die "Hörer", die man heute als "Sympathisanten" bezeichnen würde.

Die Welt entstand durch den Fall
Das Hauptanliegen der Katharer und der Grund für ihre ernste Grundhaltung war der Kampf gegen das Böse, das nach ihrer Überzeugung hinter der Welt mit ihren Kriegen und Schlechtigkeiten aller Art stand und das alle äußere Materie durchdrang. Das Böse musste zunächst jedoch im Herzen jedes einzelnen selbst erkannt und bekämpft werden durch den Weg der inneren Reinigung. Nach dem Glauben der Katharer konnte Gott die Welt unmöglich so geschaffen haben, wie sie ist sie ist vielmehr eine Folge des Abfalls von Gott vor langer Zeit. Wie dies genau vor sich gegangen war, darüber entstanden allerdings im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansichten. Wie im Umfeld der Bogumilen und so genannten "Paulikianer" soll es hier unterschiedliche Vorstellungen gegeben haben, vor allem, dass das Böse nur eine "Abspaltung" vom guten Gott ist. Laut Beschuldigungen ihrer kirchlichen Gegner und deren Inquisition sollen aber viele auch daran geglaubt haben, dass das "Böse" angeblich schon immer bestanden habe, und sie wurden auch beschuldigt, angeblich sehr aggressiv aufzutreten. Doch die nachweisbaren Fakten sind genau umgekehrt: Es waren die Katholiken, welche die Urchristen auf grausamste Weise ausmerzten. Und auch die Wahrheit über den Glauben der Urchristen in Südfrankreich wurde von den Vertretern der katholischen Priesterkaste verbogen und durch Verleumdungen und Priesterlügen ersetzt. Ein besonders bösartiges Beispiel dafür ist der deutsche Franziskaner-Priester und Inquisitor Konrad von Marburg, der allen Ernstes behauptete, der Name "Katharer" (= die Reinen) würde sich von "Kater" ableiten und darauf hinweisen, dass die Urchristen, die auch Tierfreunde waren und meist auch kein Fleisch verzehrten, mit Katzen angeblich Geschlechtsverkehr pflegen (u.a. http://kops.uni-konstanz.de/). In Wirklichkeit entstammt diese Anschuldigung, die an die späteren "Hexenverfolgungen" erinnert, nur seiner eigenen perversen Phantasie. Und wer weiß schon, welche Formen der Sexualität alles bereits von damaligen Priestern ausgeübt wurden. Über die jüngere Vergangenheit ist ja im 21. Jahrhundert vieles ans Tageslicht gekommen, unter anderem auch solches, was der Inquisitor lügenhaft anderen unterstellte.
Ideen kann man nicht ermorden
Doch
zurück von tiefsten Abgründen kirchlicher Degeneration zu dem urchristlichen
Leben der Katharer: Im
Gedächtnis blieb vor allem der unglaublichen Mut, mit dem
Hunderte von Katharer, keineswegs nur die "parfaits", nach Augenzeugenberichten
ohne Klagen und Angst, ja teilweise sogar singend und in ihrem Inneren mit Gott
verbunden, in den Tod gingen. War
ihnen dies möglich, weil sie mit ganzer Seele
auf die geistige Welt und auf Gott in ihnen, in ihrem eigenen Tempel aus Fleisch
und Blut, bezogen waren oder sich darum bemühten und von dort in einer Weise Kraft und Trost
empfingen, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar war?
Die römische Kirche hat jedenfalls wegen dieser todesmutigen Katharer die
systematische Inquisition eingeführt. Und sie hat nicht nur einen grausamen
Vernichtungskrieg gegen sie (und gegen das gesamte südliche Frankreich) vom Zaun
gebrochen sie hat die Vernichtung und Ausrottung Andersgläubiger auch durch
Päpste und Kirchenheilige (wie Bernhard von Clairvaux oder Thomas von Aquin)
ideologisch "rechtfertigen" lassen. Damit entlarvte sie sich einmal
mehr als maßgebliche Gewandung des "Systems Baal", das
man als Manifestation dämonischer Energien auf der Erde verstehen kann.
Der Buchautor Eugen Roll schrieb,
"dass die Häresie der Kirche
einen Schlag versetzt hatte, von dem sich diese nicht wieder erholen sollte"
(Eugen Roll, Die Katharer, Stuttgart 1979, S. 238), und hierbei kann man
auch an deren Entlarvung denken. Das heißt: Der
totalitäre Machtanspruch der Romkirche, die antichristlichen Inhalte ihrer Lehren und damit
ihr Missbrauch des Namens Christus wurden auch in der Folgezeit immer wieder
aufgedeckt, um den Menschen die Augen zu öffnen und sie zu ermutigen, diesem
ideologischen Stammbaum des Verbrechens den Rücken zu kehren.
Gedenkstein an die auf Betreiben der Papstkirche auf furchtbare Weise ermordeten Urchristen in der Nähe ihrer ehemaligen Burg Montsegur in Südfrankreich (Yeza 2007; GNU Free Documentation Lizenz) Das Urchristentum in Südfrankreich überlebte die Katastrophe von Montségur im Jahr 1244 noch um einige Zeit. Denn man hatte rechtzeitig einige Freunde Gottes aus der belagerten Festung hinausgeschleust was später wohl zu der Legende geführt hat, man hätte einen "Schatz" in Sicherheit gebracht. Doch die katholischen Dominikaner und andere Inquisitoren hetzten sie mit Hunden durch Wälder und Höhlen der Pyrenäen, mauerten die letzten einige Jahrzehnte später in einer Höhle lebendig ein womit ihre Verfolger und deren Auftraggeber in ihrem religiösen Grausamkeitswahn wieder einmal bewiesen, wem sie dienen. Denn Nachfolger Jesu haben niemals Andersdenkende verfolgt. Dies war immer ein Merkmal der Widersacher von Christus. Papst Urban IV. (1261-1264) hatte zum Dank für die Ausrottung der Katharer sogar das Fest Fronleichnam eingeführt, das noch heute von den Katholiken weltweit zelebriert und gefeiert wird.
Immerhin: Noch im 14. Jahrhundert gab es versprengte Katharer in Sizilien, und weltweit verlassen heute immer mehr Menschen das sinkende Kirchenschiff und suchen und finden Gott in sich und in allen Lebensformen, was sie viel sensitiver für alles Leben macht wie bereits bei den Katharern damals.
Wesentlicher noch als das sichtbare Fortwirken der urchristlichen Bewegung der Katharer ist deshalb der urchristliche Strom, der unaufhaltsam weiter fließt. Man kann zwar die Menschen töten, doch das geistige Potenzial, das sie aufgebaut und vermehrt haben, bleibt erhalten. Es speist diesen Strom, der immer wieder auftaucht und Menschen berührt. So finden sich katharische Gedanken, symbolisch verschlüsselt, in den Bildern eines Hieronymus Bosch ebenso wie in der klaren Forderung der Waldenser oder Hussiten, der Mährischen Brüder oder der Brüder und Schwestern in Christus, auch Täufer genannt, nach einem konsequenten, einfachen christlichen Leben. Die Hugenotten waren nicht zufällig im Stammland der Katharer, in Südfrankreich, erfolgreich, so wie ein Savonarola nicht zufällig in Florenz an die Bestrebungen der "Patarener", wie die italienischen Urchristen genannt wurden, anknüpfen konnte.
Die Freunde Gottes in Südfrankreich haben ein Zeichen gesetzt: Dass es möglich ist, für die Botschaft vom Friedensreich einzutreten, die bereits durch die Gottespropheten des Alten Bundes und Jesus von Nazareth in die Welt kam, wenn es äußerlich fast aussichtslos zu sein scheint. Dass es sich lohnt, an das Gute nicht nur zu glauben, sondern es durch das eigene Leben zu bezeugen. Dass es sinnvoll ist, für das Licht zu kämpfen und in friedlicher Weise aufzuklären und, so wie es Jesus von Nazareth lehrte, bei sich selbst zu beginnen. Dass die geistige Energie dieses übermenschlichen Opfergangs nicht verloren ging, zeigt sich im weiteren Verlauf der Geschichte nicht nur in religiöser, sondern

Mehr dazu: kirchenopfer.de/die-ausrottung-der-katharer
(9)
Amalrich von Bena und die französischen Christen
Die Gegenwart Gottes in allem Sein erfahren
Ein beliebtes Verleumdungsmittel der kirchlichen Priesterkaste ist die Abwertung von Urchristen, indem man sie nicht als "Christen" bezeichnet, die sie ja sind, sondern einen Namen erfindet, der meist von der Person entlehnt wird, die man für den Anführer hält. So verspottete man viele Christen im Norden Frankreichs auch als "Amalrikaner", lateinisch "Amauriani", in Anlehnung an den französischen Gelehrten Amalrich von Bena, lateinisch Amaulricus.
Amalrich von Bena (1140-1206) unterrichtete an der Universität in Paris die "Sieben Freien Künste" und lehrte, dass Gott in allen Kreaturen lebendig ist und alle Wesen einst zu Gott zurückkehren. Papst Innozenz III. verurteilte seine Lehre deshalb als "Häresie", was Amalrich, der eigens zu seiner Verteidigung nach Rom gereist war, sehr belastete und zu seinem baldigen Tod beitrug. Doch er hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon viele Freunde gewonnen. Der Theologe Prof. Walter Nigg schreibt:"Nachdem Amalrichs Anhänger in Paris einige Zeit einen kleinen Kreis gebildet hatten, wurde dieser denunziert und musste im Jahr 1209 ein blutiges Ketzergericht über sich ergehen lassen, in welchem eine Anzahl von ihnen dem Scheiterhaufen überantwortet und die anderen mit lebenslänglicher Kerkerhaft bestraft wurden." (Walter Nigg, Das Buch der Ketzer, S. 280)
Die Lehre von Amalrich von Bena wurde auf dem Laterankonzil 1215 in Rom dann offiziell verdammt und die Gebeine daraufhin aus dem Grab geholt und in "ungeweihter" Erde neu verscharrt. Hier handelte die Romkirche einmal mehr nach dem Prinzip, alles zu beseitigen, was an den "Ketzer" erinnern könnte.
Foto: Hinrichtung der Freunde von Amalrich von Bena Jean Fouquet (1455-1460) aus der Grandes Chroniques de France (Ausschnitt)
Während die
Katharer den Süden
Frankreichs im urchristlichen Geist verändern, sammelte um 1200 im Norden
Amalrich von Bena, der auch Erzieher des französischen Thronfolgers war,
an der Universität und deren Umfeld weitere Lehrer um sich, die aufgrund
ihrer Erfahrungen davon überzeugt waren:
Gott ist der Freie Geist in allem Leben. Nach Amalrichs Tod zogen sie
ins Umland von Paris hinaus und klärten die Bevölkerung über
Konsequenzen aus dieser befreienden Botschaft auf, wozu gehört: Kirchensakramente sind
letztlich nutzlos,
und Heiligen- und Reliquienverehrung sind "Götzendienst". Dass die Tätigkeit
dieser Lehrer für ihr irdisches Leben gefährlich war, war ihnen bewusst. Einerseits suchten sie so
viele Menschen wie möglich mit ihrer Botschaft zu erreichen und fanden
vor allem Zuspruch bei den schlichten und unverbildeten Menschen.
Andererseits mussten sie aufgrund des Jahrhunderte alten mörderischen katholischen
Herrschaftssystems äußerst vorsichtig vorgehen, teils heimlich.
Doch der tödliche Angriff der totalitären Kirchenmacht erfolgte an einer Stelle, mit der sie nicht gerechnet hatten. Das Machtkonglomerat von Kirche und Staat schleuste in die urchristliche Bewegung nämlich zwei katholische Priester als Spione ein. Sie handelten im Auftrag einer Gruppe von Theologen, die gemeinsam mit dem Bischof eine Kommission zur angeblich fachlichen Begutachtung der christlichen Bewegung gebildet hatten. Mit vorgetäuschten persönlichen Erfahrungen der Gegenwart Gottes erschlichen sich die von der Kommission beauftragten Spione das Vertrauen der Christen, und sie sammelten "Belastungsmaterial" für einen im Geheimen bereits geplanten Inquisitionsprozess gegen sie. Dafür versprachen die ihnen vorgesetzten Religionsvertreter den Spitzeln "Vergebung ihrer Sünden".
Was das Verhalten der Christen betrifft, erlebten die von der Machtkirche beauftragten falschen "Brüder" nun viele Tugenden der von ihnen Ausspionierten. Denn vorbildliche Ehrenhaftigkeit und Charakterstärke zeichnete die so genannten "Amalrikaner" aus. Eine Handlung ist dann zulässig, wenn sie in der Tugend der Liebe geschieht, so ihre Botschaft, die im Volk immer mehr Zustimmung erfuhr, und: Gott spricht auch durch Philosophen, wenn sie die Wahrheit sagen. Alles, was in Liebe geschieht, ist keine Sünde. Ein neues Zeitalter beginnt, das vom Gottesgeist geprägt wird. Hierbei beriefen sie sich auf die Botschaft vom Zeitalter des Geistes, die sich, ausgehend von dem italienischen Abt Joachim von Fiore, in Europa verbreitete. Eine Priester- und Kirchenhierarchie mit ihren Höllenlehren wird abgelehnt. Alle Seelen können für sich den Weg finden, auf dem sie zu Gott zurückkehren werden.
Nachdem der zuständige Erzbischof die Berichte der verdeckten Inquisitionshelfer zur Kenntnis genommen hatte, beendete er die perfide Attacke, zog die Priester zurück und verlangte aufgrund der gesammelten "Beweise" über die angeblich "teuflischen Erfindungen" der Schüler Amalrichs allerhärteste mögliche Strafen. Damit gab die Priesterkaste den ihr Hörigen im Staat einmal mehr das Todesurteil vor, was diese immer vollziehen mussten, um nicht selbst in den Verdacht nichtkatholischer Lehren zu geraten und ebenfalls ihre Ermordung zu riskieren. Es ist der bis heute in manchen Varianten praktizierte "Transfer von Kirche und Staat", bei dem die Kirche wie ein Reiter agiert, welche das Staatsross nach seinen Zwecken lenkt. Die Romkirche hatte durch Papst Innozenz dem III. zuvor im Jahr 1198 ihr Dogma entwickelt, dass der Staat wie der Mond sei, der von der Sonne, der Papstkirche, beschienen werde und nur, indem sich der Staat und seinen Bevollmächtigten an die Autorität der päpstlichen Gewalt "anhängen", erhalten sie von dort ihren Glanz und ihre Würde, also ihre teuflische Macht in dieser Welt. Einige Jahrzehnte später verlangte die Romkirche dann auch unverbrämt und gnadenlos von den Staatsvertretern komplette Unterwerfung, was manche Könige bis dahin ohnehin schon getan hatten.
Im Jahr 1210 schlug die Papstmacht dann in Frankreich in einer Art Razzia zu und verhaftete im Mai oder Juni 14 Lehrer des Freien Geistes an verschiedenen Orten. Während der Papst im Jahr 1209 den totalen Vernichtungskreuzzug gegen die urchristlichen Katharer im Süden ausgerufen hatte, gegen Männer, Frauen und Kinder, erwogen die katholischen Kleriker im Norden, ob hier nicht die Ermordung der Wortführer "genügen" würde, um die Bewegung auszurotten. So wurden 1210 zehn der verhafteten Männer der auch als "Sekte des Freien Geistes" verspotteten Christen auf einem Scheiterhaufen außerhalb der Stadtmauern von Paris aneinander gebunden. Keiner hat widerrufen, woraufhin sie in Anwesenheit des kirchenunterwürfigen Königs bei lebendigem
Anderen Christen versprach man unter der Bedingung Schonung, wenn sie alle Schriften Amalrichs vernichten und sich erneut der Romkirche unterwerfen. Das Lesen von Schriften Amalrichs wurde fortan auch an der Universität verboten.
Die Einschüchterung zeigte bei vielen Wirkung, doch nicht bei allen, und es kam zu weiteren Hinrichtungen. Ein Magister namens Godinus sammelte überlebende treue Christen, bis das Inquisitionskommando auch ihn festnahm. Im Jahr 1212 wurde Godinus in Amiens, einer Hochburg der päpstlichen Hydra im Norden Frankreichs, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und von der christlichen Lehre, wie sie von Amalrich von Bena verfasst wurde und wie sie von Theologen bis heute als "Pantheismus" abgetan wird, blieben nur noch die rufmörderischen Überlieferungen ihrer kirchlichen Gegner enthalten. 1215 wurde sie dann auf dem bekannten und bis heute in der Papstkirche hochverehrten Laterankonzil in Rom offiziell als "höchst pervers" und vom "Vater der Lüge" stammend verdammt.
Doch wo ist der "Vater der Lüge" in Wirklichkeit am Werk? Mit diesem Rufmord projizierte die Kirchenmacht ihr eigenes inneres Wesen und der Macht, der sie dient, auf die Brüder und Schwestern in Christus im nördlicheren Frankreich. In Amiens, wo zuletzt die Scheiterhaufen brannten, ließ dann die päpstliche Hydra dann im Zeitraum von 1220-1269 eine neue furchteinflößende Kathedrale dieser Schreckensreligion errichten, bis heute beliebter Anziehungspunkt für Touristen und Priesterhörige aller dunklen Schattierungen.
Kathedrale von
Amiens
von der Papstkirche ab 1220 als Zeichen ihrer totalitären
weltlichen Herrschaftsmacht erbaut
nach der Verbrennung des Urchristen Godinus in Amiens auf dem
Scheiterhaufen im Jahr 1215
(Creative Commons Attribution
3.0 Unported license; Jean-Pol Grandmont 2012)
Ehemalige Schüler Amalrichs am Königshof in Paris unterwarfen sich wieder der Romkirche, um ihre Macht am Hof nicht zu verlieren, und der neue König Ludwig VIII., einst von Amalrich geschult, ordnete nun im Jahr 1226 die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen für alle Christen an, die in Zukunft von der Doktrin der Papstkirche und ihren Forderungen abweichen. Der König hat sich damit gegen seinen Lehrer gestellt und dem Papst unterworfen, wodurch er mit entsprechendem Kirchenruhm belohnt wurde und sein Sohn Ludwig IX., der in den väterlichen Fußspuren auch einen weiteren Kreuzzug (1270) ausrief, bei dem er ums Leben kam, gar mit der späteren Kirchenheiligkeit.
So wurde bereits unter Ludwig VIII. die urchristliche Bewegung im Zentrum Frankreichs "vollständig ausgelöscht". Die Vertreter der Romkirche und ihre Vasallen im Staatsgewand feierten die Ermordung der Urchristen und die Vernichtungen aller ihrer Schriften. "Dank ´Gottes` Gnade" sei das "Unkraut" einmal mehr "ausgejätet" worden, was bedeutet: Aufgrund des teuflischen Wütens der mörderischen Kirchenreligion wurde eine herrliche Pflanze im Garten Gottes und alle ihre Blüten ausgemerzt, sodass die Zeit des wuchernden Unkrauts weiter andauerte.
Doch das Reich Gottes schickte erneut Seine Boten auf die Erde, um das Wesen des "Vaters von unten" und seiner Stützpunkte auf der Erde in den Institutionen Kirche und andernorts zu entlarven und alle ehrlich Gott suchenden Menschen aus dem kirchlichen Joch mit seinen grausamsten Feuersbrünsten im Diesseits und angedroht auch im Jenseits zu befreien. Und mag die eiskalte steinerne Religionsmacht auch noch so drohen, ihre Zeit ist im 21. Jahrhundert abgelaufen. Und zu den Wegbereitern der neuen Zeit gehören auch Amalrich von Bena und seine mutigen Schüler in Frankreich Anfang des 13. Jahrhunderts. 100 Jahre später lehrte als nächste in der langen Reihe der Gottesboten und -botinnen Margarete Porete im Norden Frankreichs den Inneren Weg zurück in die ewige Heimat aller Seelen und beseelten Menschen, frei von Kirchendogma und Glaubenszwang (siehe im nächsten Kapitel).
(10) Margarete Porete und die Brüder und Schwestern des Freien Geistes
An einer epochalen Wende der Zeit
"Gott in uns", "Gott, der Freie Geist, in allen Lebensformen Seiner Schöpfung" Die Brüder und Schwestern des Freien Geistes erlebten Gott als Licht und Kraft in ihrem Inneren und sie wussten, dass es Gottes Odem ist, der jeden Menschen, aber auch jedes Tier, ja jedes Lebewesen, jede Lebensform beatmet. Unter ihnen gab es auch Gottesprophetinnen und Gottespropheten, durch die das unverfälschte Wort Gottes wieder die Menschen erreichte. Für die Priester und Theologen der Institutionen Kirche mit ihren Dogmen und Sakramenten ist diese Erfahrung bis heute die größte Gefahr.
"Am meisten verleumdete Bewegung der Kirchengeschichte"
Amalrich von Bena und seine Schüler waren Brüder und Schwestern des Freien
Geistes in Frankreich, und ähnlich wie ihnen erging es in vielen Regionen
Europas den offenen Gemeinschaften der Brüder und Schwestern des
freien Geistes im 13. und 14. Jahrhundert, die durch die kirchliche
Ausmerzung beinahe in Vergessenheit geraten sind. Sie waren überzeugt, dass
jeder Mensch das Licht Gottes in sich trägt, das er durch einen mystischen
inneren Weg in sich erwecken kann, wozu es keiner Vermittlung durch Priester
bedarf, und sie fühlten sich an keine kirchliche Autorität gebunden.
Da der Lügenmoloch in Rom und seine Statthalter ihnen Dämonie und sittenlose Praktiken andichtete, gelang es
den Talarträgern,
wie Professor Dr. Walter Nigg schreibt, "dem bürgerlichen Christen vor diesen [angeblichen]
´Nihilisten des Mittelalters` das Gruseln beizubringen, das bis zum heutigen Tag
nachwirkt. Da ein Historiker nach dem anderen diese Lügen abschrieb, bis alle selbst
daran glaubten, wurden die Brüder des freien Geistes zu der am meisten
verleumdeten Bewegung der ganzen Kirchengeschichte." (Das Buch
der Ketzer, S. 274)
Sie glaubten, wie Walter Nigg schreibt, "an einer epochalen Wende der Zeit zu
stehen, in der alles bisher Gültige entwertet, gewandelt und ersetzt werde durch
wahre Erkenntnis, die zugleich die höchste Stufe der Religion und Offenbarung
des heiligen Geistes selbst ist". Zu ihrem Umfeld zählen auch die so
genannten Beginen bzw. Begarden, das waren Frauen bzw. Männer, die
ein Leben in Nächstenliebe außerhalb der Kirchenmauern anstrebten und immer in
Gefahr standen, als "Ketzer" ins Visier der Inquisition zu geraten und
die, als es der Romkirche mit der Zeit zu viele wurden, auch verfolgt und ermordet wurden, wenn sie sich nicht
doch einer
kirchlichen Organisation anschlossen.
Die in mehreren Ländern Europas verbreiteten "Brüder und Schwestern vom freien
Geist" waren bis ins 15. Jahrhundert hinein Verfolgungen ausgesetzt, zuletzt
1458 unter anderem in Mainz. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist nichts mehr von ihnen
bekannt. In einem "Gutachten" des Kirchenheiligen Albertus Magnus, der
das Göttliche und das Menschliche strikt trennte, werden die
Brüder und Schwestern mit den Worten von ihm angeklagt und verworfen:
"Zu sagen, dass die Seele aus
der Substanz Gottes genommen ist, ist Ketzerei der Manichäer." (Art. 7)
Ob diese Umschreibung ihres Glaubens wirklich den Inhalt trifft oder wie
so oft alles ein wenig oder ein wenig mehr verfälscht dargestellt wird, ist
wie immer nicht mehr genau zu ermitteln.
Auch den Mystiker, der unter dem Namen "Meister Eckhart" bekannt wurde
(um 1260-1328), hat man "häretischer" Überzeugungen in der Art der "Brüder und
Schwestern des Freien Geistes" verdächtigt und einem langwierigen Prozess
unterzogen. Ankläger war Kardinal Fournier, der spätere Papst Benedikt XII.
Eckhart selbst bestritt immer jede Nähe zu nichtkatholischem Gedankengut und
starb vor dem Abschluss des Inquisitionsverfahrens. Nach Eckharts Tod wurde das
Verfahren aber fortgesetzt und endete mit der Verurteilung der 28 Sätze. Während
der Papst verlauten ließ, Eckhart habe vor seinem Tod seine "Irrtümer"
vollständig widerrufen, wies er in Wirklichkeit nur allgemein mögliche
"häretische, glaubensfeindliche Fehldeutungen"
seiner Thesen zurück.
Margarete Porete und der mystische Weg der Seele
Ähnliches wurde der wegen "Ketzerei" verbrannten Mystikerin Margareta Porete (1250/1260-1310) vorgeworfen, die dem Umfeld der "Brüder und Schwestern vom freien Geist" und manchmal den Beginen zugerechnet wird, Frauen die außerhalb der kirchlichen Bevormundung und des Kirchenzwangs Gutes tun wollten. In ihrem Werk Spiegel der einfachen Seelen erklärt Margareta bzw. Margarete oder Marguerite, dass die mit Gott vereinte Seele verkürzt gesagt deswegen keine Vorschriften und Frömmigkeitspraktiken mehr beachten muss, weil der in ihr wirkende gute Wille Gottes dafür sorgt, dass sie automatisch das Gute tut. Diese Lehre wurde also von der verlogenen Inquisition bewusst verdreht.
Hinzu kam bei Margareta Porete ihr Verzicht auf eine "Absicherung" durch das namentliche Zitieren kirchlich anerkannter theologischer Autoritäten. Sie legte dar, durch welches Verhalten die Seele allmählich Gott näher kommt. Sie betrachtete diesen Weg als eine Rückkehr in einen Ursprungszustand, in dem sich die Seele ursprünglich befand, bevor sie sich von Gott trennte. Um wieder dorthin zu gelangen, müsse sich die Seele von allen Abhängigkeiten befreien, die sie noch in Knechtschaft halten. Margareta bezeichnete Gott bzw. die mit ihm gleichgesetzte Liebe als den eigentlichen Autor des Buches. Nach Seinem Willen solle es denen, für die es bestimmt sei, dazu verhelfen, das vollkommene Leben und den Zustand des Friedens besser zu schätzen. Foto oben @ Maryanne Bilham (USA) for Divine Eros: Die Gottesprophetin Marguerite Poréte wurde 1310 in Paris auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt.
Der Aufstieg der Seele ist ein Prozess, der sich in sieben Etappen oder Stufen vollzieht, welche Margareta als "sieben Seinsweisen im edlen Sein" bezeichnet. Dieser Prozess führt die Seele "aus dem Tal auf den Gipfel des Berges, der so vereinzelt dasteht, dass man dort außer Gott nichts sieht".
Auf der fünften Stufe erlangt die Seele die Freiheit. Margareta betonte, dass es zwischen der freien Seele und Gott keine Vermittlung braucht, da sie nun ganz unmittelbar in Verbindung stehen.
Die freie Seele hat sich dann zwar innerlich von allem, was geschaffen ist, gelöst, doch bedeutet das keine äußere Abwendung von der Welt. Vielmehr könnte sie mit ihrer Erfahrung bei Bedarf sogar ein Land regieren. Obwohl Margareta ihre Kirchenkritik zurückhaltend äußerte, hielt sie ganz offenkundig nicht viel von den Priestern und ihrem Absolutheitsanspruch.
Als sie sich auch noch weigerte, einer Vorladung der Inquisition Folge zu leisten, wurde sie verhaftet. Nachdem sie schon 1 ½ Jahre eingekerkert war, lehnte sie es auch im Inquisitionsverfahren ab, sich vor den katholischen Priestermännern zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Die Untersuchungskommission befand daraufhin die Angeklagte der "Häresie" schuldig und daher zum Tode zu verurteilen. Als Grund der Hinrichtung wurden "theologische Irrtümer" insbesondere hinsichtlich der Eucharistie genannt. Am Pfingstsonntag des Jahres 1310 wurde das Todesurteil verkündet, am Pfingstmontag wurde Margareta auf der Place de Grève in Paris auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt.
Als Konsequenz des von ihr gelehrten mystischen Wegs verbot das Konzil von Vienne (13111312) den Beginen, die sich nicht der Kirchenhierarchie unterwarfen, jede Art der theologischen Betätigung. Weiterhin hatte der Generalinquisitor die Vernichtung aller Exemplare ihres Buches Spiegel der einfachen Seelen angeordnet und seinen Besitz unter Strafe der Exkommunikation verboten.
Im 15. Jahrhundert identifizierte der Franziskaner-Inquisitor Bernhardin von Siena den durch Margareta Porete vermittelten Schulungsweg als identisch mit der Lehre der in Italien aktiven "Brüder und Schwestern des freien Geistes". Es sei die gleiche "Häresie".

Die Kirche beauftragte den später heiliggesprochenen Franziskaner Giovanni de Capistrano (Foto rechts), alle Exemplare der Schrift Spiegel der einfachen Seelen, der den Weg zu Gott im eigenen Herzen aufzeigte (durch tätige Nächstenliebe und Überwindung des Ego), zu vernichten.
Ein weiterer Inquisitor der Franziskaner, der Jurist Johannes von Capistranus (1386-1456), musste nun im Auftrag des Papstes nach noch vorhandenen Exemplaren der für die Existenz der Kirche bedrohlichen Schrift über die Rückkehr der gefallenen Seelen in ihre ewige Heimat zu forschen, um diese zu beschlagnahmen und zu vernichten. Er wurde später von der Vatikankirche "kirchenheilig" gesprochen und gilt der Vatikankirche heute weltweit als "Patron aller Rechtsanwälte". Capistranus ließ auch Juden öffentlich verbrennen und ihre Kinder katholisch taufen, er rief zum Kreuzzug gegen die moslemischen Türken auf und ließ die Hussiten in Böhmen verfolgen. So wie es ein "treuer" Diener der mörderischen Priesterkaste eben tut, wofür er dann in deren "Heiligenhimmel" erhoben wurde.
(11) Waldenser, Jan Hus und die "Hussiten"
Sehnsucht nach dem wahren Urchristentum
Eigentlich hatten sie ja nur den stereotypen
Ablauf der katholischen Messen verbessern wollen, indem sie sich als kundige
"Laienprediger" anboten. Doch dann kamen den "Armen Christi", wie sie sich
selber nannten, erhebliche Zweifel und Fragen in Bezug auf das ganze Gehabe der
Kirche und ihrer Priester. Was Ende des 12. Jahrhunderts als innerkirchliche
Protestbewegung um den Lyoner Kaufmann Petrus Waldes bzw. Petrus Valdes
(+ vor 1218) begann, entwickelte
sich nicht zuletzt aufgrund der brutalen Ablehnung und Verfolgung durch die
Kirche zu einer der bedeutendsten "Ketzerbewegungen" des Mittelalters und
darüber hinaus.
Waldes verschenkte sein zum Teil unrechtmäßig erworbenes Vermögen aufgrund eines
Bekehrungserlebnisses spontan an die Armen, und er wollte der Bibel ein
stärkeres Gewicht verleihen und sie dazu in die Volkssprache übersetzen. Genau
das brachte ihn aber in Konflikt mit der Kirche, die er im Gegensatz zu den
zeitgleich in Frankreich lebenden Katharern ursprünglich gar nicht verlassen wollte.
Denn Menschen, die selbständig
denken, die in Eigenverantwortung ein ethisch hochstehendes Leben anstreben,
waren den Mächtigen in der Kirchenhierarchie schon immer ein Dorn im Auge. Wie die Katharer
führten die Waldenser ein einfaches Leben und waren in der Regel geschickte
Handwerker. Ihr Ideal war das Urchristentum, wie sie es aus den Evangelien und
der Apostelgeschichte ihrer Bibel entnehmen konnten.
Waldes und seine Anhänger wurden um 1180 auf Anordnung des Bischofs von Lyon
zunächst aus
der Stadt und ihrem Umkreis vertrieben. Doch damit sorgte die Kirche ungewollt
für die rasche Verbreitung der Bewegung. Bald fielen sie derselben blutigen
Verfolgung durch die kirchliche Inquisition zum Opfer wie die Katharer.
Unzählige von ihnen wurden auf den Scheiterhaufen auf Betreiben der Romkirche
verbrannt, Männer, Frauen, Kindern, wer von ihnen in die Fänge der
römisch-katholischen Inquisition und deren staatlichen Vasallen
geriet.
Die Geschichte ihrer Bewegung ist ein Beleg dafür, dass es der Romkirche im Grunde um totalitäre Macht samt dem dazu gehörigen irdischen Reichtum geht, denn sonst hätte sie nicht eine Bewegung fast ausgerottet, die ihr gegenüber gar keine eine Alternative im Glauben anstrebte, aber dafür eine Alternative in der ethischen Lebensführung darstellte und vertrat. Die Bewegung der Waldenser ist zugleich ein Beweis dafür, dass die Sehnsucht des Menschen nach einem Leben im Einklang mit den urchristlichen Idealen der Gleichheit, Freiheit, Einheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit sich immer wieder neu Bahn brach, auch wenn für sie das geistige Wissen aus dem Reich Gottes, das die Katharer und Bogumilen noch in hohem Maße besaßen, nicht mehr unmittelbar verfügbar war oder von ihnen nur teilweise übernommen wurde. Einen traurigen Eindruck, weit entfernt von diesen Anfängen, hinterlassen vor allem heutige so genannte "Waldenser", die sich teilweise mit den evangelischen Kircheninstitutionen vereinigt haben, die ab dem 16. Jahrhundert ihre eigene grausame Inquisitionsgeschichte neben dem katholischen Machtapparat aufgebaut hatten, siehe z. B. gegenüber den so genannten "Täufern".
Eine nach wie vor gewisse Kirchennähe in der Lehre trifft auch für weitere Bewegungen zu, die zum Teil auf dem Glaubensgut versprengter Waldenser aufbauten. Im 15. Jahrhundert vertrat in Böhmen der Priester Johannes Hus bzw. Jan Hus die Lehre von einer "unsichtbaren Kirche" Jesu Christi, die er in Gegensatz zur sichtlich verdorbenen und gespaltenen Kirche setzte, die er erlebte. Auch Hus verwies auf das frühe Christentum und forderte ein einfaches und geradliniges Leben nach den ethischen Maßstäben der Bergpredigt, geißelte den Amtsmissbrauch und die Bereicherung des Klerus.
Um die Auseinandersetzungen zu klären, wurde Jan Hus auf das Konzil von Konstanz (1414-1418) geladen, wofür man ihm freies Geleit für Anreise, für die Zeit auf dem Konzil und für die Heimreise zugesichert hatte. Doch schon während des Konzils wurde Hus in Konstanz ins Gefängnis geworfen und furchtbar gequält: Tagsüber gefesselt, nachts in einem Verschlag eingesperrt, dem Gestank einer Kloake ausgesetzt und nur mangelhaft ernährt. Da sich die katholische Priesterkaste jedoch von einem Widerruf von Hus mehr Vorteile versprach als von seinem Siechtum und Tod, wurden die Haftbedingungen zunächst etwas erleichtert.
Doch dann ging es im Frühjahr und Sommer 1415 zur Sache. Das Kirchenkonzil verurteilte unter anderem den angeblichen "Irrtum" des bereits verstorbenen englischen "Ketzers" John Wiclif bzw. John Wyclif (1330-1384) über die Machtbefugnisse der Priesterkaste, welcher lautete: "Ein Bischof oder Priester, der in der schweren Sünde lebt, weiht nicht, verwandelt nicht (in der heiligen Messe), bringt das Sakrament nicht zustande, tauft nicht." (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 499)
Jan Hus wurde gefragt, ob er das auch so sehe wie John Wiclif. Da er bejahte und auch seine anderen Anschauungen nicht widerrief, wurde bei einer "feierlichen Vollversammlung" der Bischöfe im Münster zu Konstanz sein Feuertod beschlossen, verkündet und noch am gleichen Tag vollstreckt: Verbrennung bei lebendigem Leib trotz Zusicherung freien Geleits.
Hier kam wieder der Leitsatz von Papst Innozenz III. zum Tragen, der lehrte: "Treu und Glauben braucht einem Ketzer [gegenüber] nicht gehalten zu werden, und der Betrug, gegen ihn geübt, wird geheiligt." (zit. nach Matthias Holzbauer, Der Steinadler und sein Schwefelgeruch, Marktheidenfeld 2003, S. 50)
Auch durch ein solches Vorgehen entlarvt sich die Machtkirche und derjenige, der hinter ihr am Steuer sitzt und über den Jesus von Nazareth sprach: "Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; ... denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge." (Johannes 8, 44)
Anders als für John Wiclif und Jan Hus gilt in der römisch-katholischen Kirche bis heute: Auch wenn ein Bischof oder Priester in "schwerer Sünde" lebt, also beispielsweise kurz vor der Eucharistiefeier in der Sakristei oder in seinem Schlafzimmer ein Kind vergewaltigt hat, könne er trotzdem gleich anschließend das Kirchensakrament katholisch voll gültig vollziehen, also auf priesterliches Kommando hin angeblich "Gott" dazu bewegen, sich in die von ihm, dem Priester präparierten Weizengebäckstücke auf dem Altar einzuschließen, und er, dieser Priester könne zum Beispiel auch den Eltern des vergewaltigten Kindes gleich darauf angeblich im Namen Gottes deren Sünden vergeben.
In seinem Abschiedsbrief an seine Freunde schrieb Hus: "Das aber erfüllt mich mit Freude, dass sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, dass sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten."
Jan Hus hinterließ jedoch keine einheitliche religiöse Bewegung. Die "Hussiten" sind eher ein historischer Sammelbegriff für unterschiedliche Gruppierungen, die zunächst vor allem der Protest gegen diesen Justizmord der Romkirche in Konstanz und der mit ihr verbündeten Herrscher vereinte. Es kam zu Kriegen.
Es gab jedoch auch pazifistische Hussiten wie Petr Chelčický (ca. 1380-1455), der in seinen Schriften dem ansonsten von ihm verehrten Magister Hus vorwarf, die Tür zu einer Rechtfertigung des Krieges nicht verschlossen zu haben.
Chelčický gilt wiederum als geistiger Vater der späteren "Böhmischen Brüdergemeinde", wozu auch der bekannte Pädagoge Johann Amos Comenius (1592-1670) gehörte. Dieser vertrat den Grundsatz der Gleichheit aller Menschen und sah die Natur als einen Gesamtorganismus, den es zu achten gilt. Am Ende seines Lebens schrieb er: "Ich danke meinem Gott, dass er mich mein ganzes Leben hindurch einen Mann der Sehnsucht hat sein lassen." Er nannte es die "Sehnsucht nach dem Licht". Andere nannten es die Sehnsucht nach dem wahren "Jerusalem", darunter viele der urchristlichen so genannten Täufer, die auf grausamste Art von der katholischen und neuen evangelischen Kirche verfolgt wurden.
Am Ende des 30-jährigen Krieges duldete man nur noch die drei mörderischen Hauptkonfessionen Katholisch, Lutherisch und Calvinistisch. Die Brüdergemeinde wurde gezwungen, sich aufzulösen, was jedoch nicht verhinderte, dass ein katholisches Heer im "Dienst" der Gegenreformation den Wohnort von Comenius (damals in Polen) überfiel und die Bewohner, die nicht wie zuvor Comenius fliehen konnten, ermordete.
(12) Girolamo Savonarola
Eine "zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit"
Wie Meister Eckhart
(um 1260-1328) in Deutschland gehörte
auch Girolamo (Hieronymus) Savonarola ca. 150 Jahre später
(1452-1498) in Italien dem Dominikaner-Orden an.
Er war Prior des Klosters San Marco in Florenz und wollte die Institution Kirche
von innen her im christlichen Sinne verändern, was letztlich wie immer zum Scheitern verurteilt war,
weil deren äußerlich christliches Gewand nur die Maskerade und Verkleidung eines vom Wesen
her baalistischen Systems ist.
Als der französische König Karl VIII. Italien im Krieg
eroberte, erreichte Savonarola in intensiven Gesprächen mit ihm, dass Florenz
verschont blieb. Im Gegenzug verbündete sich die Stadt mit Frankreich.
Die Bürger vertrauten Savonarola die Verhandlungen an, weil er in seinen
dramatischen Predigten dieses Ereignis sowie den Tod von Papst Innozenz VIII. im
Jahr 1492 richtig voraus gesagt hatte.
Der Historiker Jacob Burckhardt nennt ihn, obwohl ihm gegenüber kritisch
eingestellt, eine "völlig zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit".
Und der evangelische Theologe Walter Nigg schreibt, man werde
"nicht um die
Schlussfolgerung herumkommen, dass in Florenz nicht ein politisierender Mönch,
wohl aber ein wirklich von Gott gesandter Prophet verbrannt worden ist".
Nachdem Savonarola Briefe an die europäischen
Herrscher schrieb und sie aufforderte, ein Konzil einzuberufen, um Papst
Alexander VI. abzusetzen, der offensichtlich durch Ämterkauf an die Macht
gekommen war, drohte der Papst der ganzen Stadt Florenz den Kirchenbann an. Die
Kaufleute fürchteten nun um ihre Geschäfte in Rom, Bürger wurden gegen
Savonarola aufgehetzt und Mönche des Klosters wurden verhaftet und im Beisein
der Gesandten des Papstes gefoltert. Savonarola selbst und zwei Mitstreiter
wurden 1498 auf dem Marktplatz der Stadt öffentlich gehenkt und verbrannt und
ihre Asche in den Fluss Arno geworfen.
Girolamo Savonarola 1497 oder 1498,
kurz vor seiner grausamen Hinrichtung (Gemälde von Fra
Bartolomeo, Museum von San Marco, Florenz);
gemeinfrei nach Wikimedia Commons
Dass Savonarola auch mächtige Gegner in der
Stadt hatte, lag an seiner kompromisslosen und von vielen als fanatisch
empfundenen Art, die Bürger nicht nur freiwillig zu einem christlichen
Leben zu bewegen, sondern dessen Prinzipien auch mit entsprechendem Druck
durchzusetzen.
Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Mutig warf er dem mächtigen Fürst Lorenzo
vor, die Gemeinschaftskasse geplündert zu haben, aus der ärmere Töchter der
Stadt ihre Mitgift bezogen. Und als Parteigänger des Fürsten ihn zur Mäßigung
ermahnen wollten, ließ er ihm ausrichten:
"Lorenzo kann tun, was er will, aber das mag er wissen: Ich bin fremd, und er
ist Bürger und der Erste der Stadt. Und doch bleibe ich hier, und er muss gehen.
Ich bleibe hier und nicht er."
Kurz darauf starb der Fürst mit nur 43 Jahren an der Gicht, was Savonarolas
Autorität noch einmal steigerte.
Unter der Führung Savonarolas fanden
bemerkenswerte Veränderungen statt: Die Streitigkeiten zwischen den reichsten
Familien und ihren Parteigängern ruhten für geraume Zeit; ein drohender
Bürgerkrieg wurde verhindert, denn Savonarola riet zu Amnestie statt Rache für
die Unterlegenen. Streitende versöhnten sich, Reiche gaben Gelder zurück, die
sie unrechtmäßig erworben oder unter Ausnützung einer Notlage mit Wucherzinsen
erpresst hatten. Die Reichen und der Mittelstand spendeten für die durch die
vorhergegangene brutale Besteuerung verarmte Unterschicht der Tagelöhner und
Besitzlosen. Ein Pfandleihhaus wurde eingerichtet, um ärmeren Mitbürgern
zinsgünstige Darlehen zu ermöglichen. Die direkten Steuern wurden weitgehend
abgeschafft. Stattdessen sollte der Grundbesitz, auch
derjenige der Kirchen und Klöster, mit einer zehnprozentigen Abgabe
belegt werden, was jedoch von der Priesterkaste hintertrieben wurde. Die
Mittelklasse, also Handwerker und Kaufleute, wurden durch die Schaffung eines
"Großen Rats" an den politischen
Entscheidungen beteiligt. Zuvor hatten die Reichen der Oberschicht alles unter
sich ausgemacht.
Savonarolas Hauptanliegen war jedoch die
sittliche Erneuerung der Stadt. Schon als junger Medizinstudent hatte er in
Bologna den ausschweifenden "Zeitgeist" der Renaissance erlebt und mit den
Worten beschrieben: "Wenn einer nach ernsten Dingen und nach Weisheit strebt, ist er ein Phantast.
Wenn er keusch und bescheiden lebt, ist er ein Tor. Wenn er fromm ist, nennt man
ihn ungerecht. Wenn er gerecht sein will, gilt er für grausam. Wenn er Gottes
Größe verehrt und Glauben hat, ist er von blödem Geist." (zit.
nach Matthias Holzbauer, Verfolgte Gottsucher, Marktheidenfeld 2004, S. 88 f.)
Savonarolas Botschaft für die Menschen, die fast
täglich den Dom füllten, um ihn zu hören, war eine einfache: Jeder möge also
sein eigenes Bewusstsein erneuern, von den Herrschenden angefangen. Jeder möge
aus seiner Eigenheit herauskommen und dem Gemeinwohl zustreben. Der Egoismus
ist ein Zeichen des Verlorenseins. Und solche, die kein Gefühl für ihren
Nächsten haben, stehen außerhalb des göttlichen Kreislaufs.
Vergleichbar den alttestamentlichen
Gottespropheten ermahnte Savonarola die Bürger der Stadt, den Luxus und das
Wohlleben aufzugeben und stattdessen die Armen zu unterstützen. Er wandte sich
gegen das Glücksspiel auf offener Straße, gegen das überbordende Karnevalstreiben und
sexuelle Ausschweifungen. Offenbar um den sexuellen Missbrauch von Kindern
einzudämmen, vor allem von Jungen durch Männer, forderte er Strafen für Homosexuelle, die daraufhin Geldbußen
bezahlen mussten. Kurz vor seiner Hinrichtung ließ er, wie schon im Jahr zuvor,
am Beginn der Fastenzeit Karnevalszubehör wie Perücken und Masken öffentlich
verbrennen. Viele Bürger machte er sich dadurch auch zu Feinden. So fand er
eines Tages den Kopf eines getöteten Esels auf seinem Predigtplatz.
Gegen die Frauen und Kinder vergewaltigenden Priester
Vor allem aber wandte er sich gegen die
Priesterkaste, gegen die katholischen Priester und Mönche, die vielfach Frauen,
Mägde und Kinder vergewaltigten, eine Parallele zur jüngeren Kirchengeschichte
im 20. und 21. Jahrhundert: "Sie treiben sich in den Kneipen herum und huldigen
mit ihren Bauern dem Spiele. Sie nehmen Mädchen zum Tanze mit auf ihr Zimmer,
verbringen die Nächte mit schlechten Weibern und Buben, treten aber am Morgen
gleichwohl zum Altare des Herrn. Sie sind dem sodomitischen Laster ergeben,
vergewaltigen Frauen und Mägde, ja sogar Kinder." (zit. nach
Ernst Piper, Savonarola, München 2009, S. 72)
Auch die zwielichtigen Geldgeschäfte der
Institution Kirche prangerte er an:
"Die Zeremonien, die man heute in der Kirche feiert, finden nicht mehr zu
Ehren Gottes statt, sondern um des Geldes willen ... Alle in der Kirche wollen Einkünfte und Pfründe ... Es gibt keine
Gnade des heiligen Geistes, die man nicht mit Geld erkaufen könnte ... Nur die
Armen, sie werden ausgepresst."
"Sieh
Rom an, das Haupt der Welt, und von dort sieh auf die Glieder! Da ist
von der Fußsohle bis zum Scheitel nichts Gesundes mehr. Wir leben unter
Christen, wir verkehren mit ihnen; aber sie sind keine Christen, sie sind´s
nur dem Namen nach; da wäre es wirklich
besser, wir wären unter Heiden."
(Der Mönch
Girolamo Savonarola aus Florenz, vom Papst als "Häretiker"
exkommuniziert, später mehrfach gefoltert und auf der Piazza della Signoria
am 23.5.1498 gleichzeitig gehängt und verbrannt,
zit. nach tagesspiegel.de/autoren/girolamo-savonarola/;
Savonarola wollte die Kirche anfangs noch erneuern, doch immer mehr Menschen
erkennen: Sie war noch nie christlich, sondern von Anfang an gegen Ihn, den
Christus Gottes, der niemals Priester oder Pfarrer eingesetzt hatte)
Goldene und silberne Kelche und Kreuze einschmelzen und Erlös den Armen geben
Während der Papst in Rom begann, mit dem ersten
geraubten Gold aus Amerika die Decke der Papstkirche Santa Maria Maggiore zu
verzieren, und der millionenfache Völkermord der katholischen Eroberer an den
Indianern immer grausamer wurde, rief der Mönch Savonarola in Florenz offen dazu
auf, "all die überflüssigen Kelche und Kreuze aus Gold und Silber"
einzuschmelzen und den Erlös an die Armen zu verteilen. Auch die kirchlichen
Zeremonien bezeichnete er als wirkungslos, solange nicht eine innere Umkehr und
Änderung des Lebens damit einherginge.
"Gott muss man suchen, nicht prächtige Tempel. Der wahre Tempel ist des Christen
Herz."
Savonarola ließ keinen Zweifel daran, dass nach seiner Überzeugung Gott ihn als Propheten erwählt habe, auch wenn er sich anfangs wie alle Propheten dagegen gewehrt hatte. Christus, so berichtete er, habe ihm sinngemäß gesagt, es müssen nach dem Muster der apostolischen Urzeit "auch jene Dinge aufgebaut werden, die den Geist bewahren und nähren, und jene Dinge, mit denen der Geist regiert. So soll es in Florenz geschehen, damit diese Stadt gut wird. Es soll ein Staat aufgebaut werden, der das Gute bewahrt, wenn die Stadt Florenz gut sein will."
Hungernot und Pest setzten der Bevölkerung zu
In dieser Zeit waren auch die Auswirkungen von
Krieg in Florenz gegenwärtig, und Hungersnot und Pest setzten der Bevölkerung zu.
Viele Bürger, auch in den Städten der Umgebung, änderten in dieser dramatischen
Situation ihr Leben, wurden friedvoller, lebten bescheidener, gaben das Trinken
oder Spielen auf. Wer aus der Umgebung in die Stadt kam, um Savonarolas
Ansprachen im Dom zu hören, wurde gastfreundlich aufgenommen und versorgt. Auch
Jugendliche änderten sich: Zuvor hatten sie Banden gebildet, die sich teils
blutige Straßenschlachten lieferten und die Gegend unsicher machten. Jetzt
entstanden Gruppen, die sich um Bedürftige kümmerten, wobei manches allerdings
angreifbar blieb: Wer kein Almosen gab, erhielt bisweilen Schläge, wer nicht
mitmachte, wurde denunziert und zur Rede gestellt. Damit wurde ein innerer Druck
aufgebaut, der nicht mit den urchristlichen Prinzipien übereinstimmt.
Manche Kirchengeschichtsschreiber kritisieren deshalb die angeblich neue
"Diktatur". Das stimmt aber schon deshalb nicht, weil
aufgrund der alle zwei Monate neu erfolgenden "Urwahl" durch die Vollversammlung der wahlberechtigten
Bürger Befürworter und Gegner Savonarolas einander in der Stadtregierung immer
wieder abwechselten. Und es gab weder Folter noch Hinrichtungen noch
andere brutale systematische Gewalt wie sonst unter der Herrschaft des
Katholizismus und später auch des Protestantismus.
"Tatsächlich war die Stadt selten vorher so glücklich gewesen", schreibt der Kulturhistoriker Will Durant über die Zeit unter der geistigen Führung von Savonarola. Selbst Intellektuelle wie Pico della Mirandola und Künstler wie Botticelli und Michelangelo waren von der Persönlichkeit und dem Auftrag des asketischen Mönches beeindruckt.
Die Polarisierung, die noch heute in der Beurteilung des "Experiments Neues Jerusalem" in Florenz spürbar ist, traf die Zeitgenossen jedoch in vollem Ausmaß. Savonarolas Vision war: Von Florenz werde das Licht Gottes über ganz Italien, ja, in die ganze Welt strahlen, sogar die Anhänger Mohammeds würden sich bekehren, wenn die Einwohner von Florenz den Anfang machten und zu leuchtenden Vorbildern eines Lebens nach den göttlichen Geboten würden.
Die Priester waren bei diesem geistigen Kampf wie immer, so auch hier die Hauptgegner der Verfechter der Gottesgebote, und zwar nicht nur die mit den Dominikanern innerkirchlich konkurrierenden Franziskaner, von denen ein Frater einen Teil der Bevölkerung einmal gegen Savonarola aufgewiegelt hatte. Auch in Savonarolas eigenem Orden, den Dominikanern, wollten viele, dass alles beim Alten bleibt. Die Kirchenoberen wollten vor allem nicht, dass die Kirche besteuert wird, so wie sie dies noch heute [2023] mit wachsender Dreistigkeit zu verhindern wissen trotz immer mehr aufgedeckter Verbrechen in ihren Reihen und einem rapiden Mitgliederverlust.
Das gewaltsame Ende der prophetischen Bewegung besorgte aber der Papst selbst. Nachdem Savonarola sich von Papst Alexander VI. nicht zum Kardinal befördern lassen wollte und einer italienischen Kriegskoalition gegen Frankreich im Wege stand, beschloss der Pontifex maximus in Rom seine "Ausmerzung".
Doch der "Ketzer von San Marco", wie Savonarola auch genannt wird, war aus katholischer Sicht eigentlich gar keiner, denn er leugnete die Lehre der Kirche nicht. Sonst hätte sie einen viel kürzeren Prozess mit ihm gemacht und ihn schneller "beseitigen" lassen. Auf diese Weise war es ihm möglich, innerhalb der katholischen Machtstruktur einige Weichen in eine andere Richtung zu stellen. Doch jeder ehrliche und dauerhafte Versuch, auch innerhalb der Vatikankirche nach der christlichen Wahrheit leben zu wollen, würde logisch und ganz zwangsläufig früher oder später zu deren Ende führen, da sie seit ihren Anfängen an nie im Willen Gottes war und bis heute auch nicht ist.
Weil also jeder ernsthafte Versuch, dem Christus Gottes auch in der Kirche Gehör zu verschaffen, bereits den Keim für die Auflösung der Machtkirche enthält, ist nachvollziehbar, dass die Priesterkaste früher oder später mit Gewalt dagegen vorging, auch wenn das Dogmenkonstrukt von den von ihr Verfolgten nicht ausdrücklich angegangen wird.
Seine Hinrichtung sah Savonarola sieben Jahre zuvor im Jahr 1491 voraus, und er prophezeite: "Die Gottlosen werden zum Heiligtum gehen, mit Axt und Feuer werden sie die Tore sprengen und verbrennen und die gerechten Männer gefangen nehmen und am Hauptplatz der Stadt verbrennen. Und was das Feuer nicht verzehrt und der Wind nicht fort bläst, wird ins Wasser geworfen."
(übersetzt und neu zusammengestellt und formuliert aus italienischen Quellen von Dr. Maria Andreucci)
PS: In Deutschland wirkte der 18jährige Hans Böhm, der Pfeifer von Niklashausen, mit einer ähnlichen Botschaft wie kurz darauf Girolamo Savonarola in Florenz. Der Bischof von Würzburg ließ ihn daraufhin heimtückisch entführen und ermorden.
(13) Die urchristlichen "Täufer", die "Brüder und Schwestern in Christus"
Die ersten Opfer der Ökumene
Im Gegensatz zur Romkirche und der mit den totalitären Obrigkeiten verbündeten "Reformatoren" Luther, Zwingli und Calvin lehnten die so genannten "Täufer" die kirchliche Säuglingstaufe ab. Sie begannen, wie im frühen Urchristentum, Erwachsene zu taufen, die sich für ein Leben in der Nachfolge Christi entschieden haben, weswegen sie "Täufer" genannt wurden.
Sie lehnten auch jede Form des Eides und des Kriegsdienstes ab und legten großen
Wert auf eine schlichte, gottgefällige Lebensführung. Ihre Treffen fanden in
schlichten Räumen, auf Dachböden, in Scheunen oder in der freien Natur statt.
Die katholische und protestantische Kirche, einander ansonsten verfeindet, waren
sich in einem einig: in der Bekämpfung und Ermordung der "Täufer" und auch der angeblichen
"Hexen".
Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahr 1529 beschlossen ihre Abgesandten, mit
Gewalt gegen diese "Sekte" vorzugehen. Die Todesstrafe für die Menschen, die
urchristlich leben wollten, wurde "reichs-rechtlich" beschlossen.
Dieser Reichstag war auch die mit dem Blut von Urchristen erkaufte "Geburtsstunde"
für die "Protestanten" als eigenständiger Bewegung und, wenn man so will, das erste
"ökumenische" "Projekt". Mit "schwerer Strafe", womöglich auch der Todesstrafe,
wurden aber auch Katholiken und Protestanten bedroht, die Sympathie oder
Mitgefühl mit den von der Kirche verfolgten Christen hatten.
Der Artikel 7 des so genannten "Wiedertäufermandats" des Reichstags
lautete:
"Wer von den Amtspersonen nicht bereit ist, nach diesen Anordnungen streng zu
verfahren, muss mit kaiserlicher Ungnade und schwerer Strafe rechnen."

Die Gefahr für Nachfolger Christi, ermordet zu werden, war zu dieser Zeit auch deshalb besonders groß, da die Reformatoren die "besseren" Kirchenführer sein wollten als die katholischen Bischöfe und deshalb oft besonders verlogen und grausam gegen Abweichungen vorgingen, um ihren eigenen angeblich "rechten" Glauben damit unter Beweis zu stellen.
Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. (Zeitgenössischer Kupferstich; näheres dazu am Beginn dieser Ausgabe)
Um die von der Zwangsreligion der Priesterkaste Abweichenden aufspüren und
niedermachen zu können, wurden in Bern in der Schweiz zum Beispiel "Täuferjäger"
eingesetzt, vergleichbar den heutigen kirchlichen Sektenbeauftragten. Die
Täufer, die sich nahe Bern im Emmental angesiedelt hatten, flohen über
Jahrzehnte, immer wieder zwischen Bern und Luzern pendelnd, vor ihren einmal
katholischen und dann wieder protestantischen Verfolgern und Mördern. Einige
dieser urchristlich lebenden Gemeinschaften zogen sich in den unwirtlichen
schweizerischen Jura zurück, wo zur damaligen Zeit der Winter bis zu sieben Monate
dauerte und wo sie den Sommer über das Land, das sie urbar machten, noch mit
Bären teilten. Sie entschieden sich für ein karges Leben, um nach den Geboten
Gottes leben
zu können. Ihre Nachfahren sind noch heute in diesen Regionen als Minderheiten
ansässig, und Ortsnamen und Gedächtnisplätze zeugen noch heute von ihrem
freiheitlichen urchristlichen Lebenswillen.
Noch im 17. Jahrhundert wandten die evangelisch-reformierten Städte Zürich und
Bern die meist mit einem schlimmen Tod endende Galeerenstrafe für urchristlich
gesinnte Männer an.
Meistens wurde das Todesurteil jedoch sofort vollstreckt. Der Täufer Felix Manz
wurde 1527 in Zürich ertränkt. Seine letzten überlieferten Worte gleichen den
Worten von Jesus am Kreuz: "In deine Hände, Herr, übergebe ich meinen Geist."
Im Todesurteil des unter der Herrschaft des Reformators Huldreich Zwingli
stehenden Rats der Stadt Zürich heißt es wörtlich:
"Genannter Felix Manz soll ... weil er gegen die christliche Regierung und die
bürgerliche Einheit gehandelt hat, dem Nachrichter
[= Scharfrichter] übergeben
werden, der ihm seine Hände binden, in ein Schiff setzen, zu dem unteren Hütly
bringen und auf dem Hütly die Hände gebunden über den Kopf streifen und einen
Knebel zwischen den Armen und Beinen durchstossen und ihn also gebunden in das
Wasser werfen soll, um ihn im Wasser sterben und verderben zu lassen."
Das also war die evangelische Reformation, die es gleich trieb wie ihr
katholischer Mutterkonzern, dem
beispielsweise der urchristliche Täufer Michael Sattler im
Jahr 1527 am Bischofssitz Rottenburg bei Stuttgart zum Opfer fiel. Er wurde
unter anderem beschuldigt, die katholischen Sakramente nicht anzuerkennen, die
angeblich ewige Jungfrau Maria
zu verachten und den Krieg gegen die Türken nicht zu befürworten.
In seiner Entgegnung führte Michael Sattler aus, dass er zwar Maria als Vorbild
des Glaubens achte, nicht aber an eine Mittlerfunktion Marias zwischen Mensch
und Gott glaube. Außerdem dürfen Christen niemanden das Leben nehmen, sie können
nur Gott um ihren Schutz anrufen. Wenn die Türken gegen Christen in den Krieg
zögen, so liege es daran, dass sie es als Muslime nicht besser wissen.
Die Folge seiner
Nachfolge Jesu war: Zuerst wurde ihm auf Betreiben der Talarträger die Zunge aus
dem Mund herausgerissen, dann wurden mit glühenden Schmiedeeisen Löcher in
seinen Leib gebrannt, danach wurde er ganz "zu Pulver" verbrannt. Drei Tage
später wurde seine Frau solange in den Neckar getaucht, bis sie ertrunken war.
Kaum ein Bürger, der mitbekommen hat, wie man Michael Sattler und seine Frau
zu Tode folterte, wagte es nun mehr, sein Kind nicht kirchlich taufen zu lassen.
Die Säuglinge wurden also bald wieder flächendeckend an ihrem Scheitel kirchlich
befeuchtet und mit diesem Ritual der jeweiligen Machtorganisation ungefragt und
zwangsweise einverleibt.
Auf diese Weise bildeten sich in der Folgezeit nun zwei "Volkskirchen",
da die Bevölkerung in Deutschland und auch in Nachbarländern wie der Schweiz
entweder der
einen oder der anderen Kirche angehören musste, um zu überleben.
Das nennt man heute "Tradition". In Wirklichkeit agitieren
und agitieren diese beiden Machtreligionen durch ihre Lügen und Inquisitionsmaßnahmen gegenüber
Andersdenkende gegen das Volk, sind also "Gegen-das-Volk-Kirchen".
In Asperen in den Niederlanden wurde der "Täufer" Dirk Willems 1569 bei
lebendigem Leib verbrannt. Er konnte nur hingerichtet werden, weil er einem
seiner Verfolger zuvor das Leben gerettet hatte. Dieser war bei der Verfolgung
von Dirk Willems durch das Eis eines zugefrorenen Sees eingebrochen und drohte im
eiskalten Wasser zu versinken. Dirk Willems lebte nach der Bergpredigt des Jesus
von Nazareth, in der es heißt "Tut Gutes denen, die Euch hassen". Deshalb kehrte
er um, als er das Unglück sah, anstatt weiter zu fliehen und sein Leben in
Sicherheit zu bringen. Und es gelang ihm tatsächlich, seinen Verfolger aus dem
Wasser zu ziehen und ihm so das Leben zu retten.
Aufgrund seiner Rückkehr an den Unglücksort wurde er allerdings von den anderen
Verfolgern eingeholt, sofort festgenommen und anschließend ermordet. Denn die
Kirche kannte auch in diesem Fall nicht die geringste Gnade, da es sich bei
ihrem Opfer um einen Mann handelte, der unter Berufung auf Jesus von Nazareth
die Säuglinge nicht mehr kirchlich taufen lassen wollte und sie damit vom
kirchlichen Herrschaftsbereich fernzuhalten versuchte, was die totalitäre
Machtbasis der Talarträger schwächt.
Der Christ Dirk Willems
rettet einen seinem Verfolger, der auf einem zugefrorenen See durch das Eis
gebrochen war, das Leben. Dadurch verlor er seinen Vorsprung und wurde von den
amtskirchlichen Mörderbanden gefangen genommen und einige Zeit danach lebendig
verbrannt.
Alles das und sehr vieles mehr sind Beweise für die Worte des Historikers
Karlheinz Deschner, der schreibt: "Nach intensiver Beschäftigung mit der
Geschichte des Christentums kenne ich in Antike, Mittelalter und Neuzeit ...
keine Organisation der Welt, die zugleich so lange, so fortgesetzt und so
scheußlich mit Verbrechen belastet ist wie die
Kirche, ganz besonders die
römisch-katholische Kirche."
(Die beleidigte Kirche, Freiburg 1986, S. 42 f.)
Die Liste der grässlichen Folterungen und Hinrichtungen von aufrichtigen und
friedfertigen Menschen, welche sich nicht den großen Machtkirchen unterworfen
oder ihnen gar widersprochen hatten, lässt sich schier endlos fortsetzen.
Es sind Zigtausende von Menschen, die für die Wahrheit das Eintreten für die
Ethik des Jesus von Nazareth einen grausamen Tod durch Priester- und
Pfarrerhand sterben mussten. Und die klerikale Hydra mutierte in dieser
Reformationszeit in Mitteleuropa von einem einköpfigen zu einem doppelköpfigen
Ungeheuer: nun mit einem katholischen Kopf und mit einem zweiten Kopf,
einem evangelischen.
Die Brüder und Schwestern in Christus
Die Täufer lehnten im
16. Jahrhundert die Zwangstaufe von Säuglingen ebenso ab wie Kriege und
Kriegsdienst. Sie wollten als freie Bruderschaften ohne Priester und
Hochgestellte nach der Lehre des Jesus von Nazareth leben. Damit zogen sie
den Zorn der großen Religionskonglomerate Katholisch und Evangelisch auf
sich, welche sie gnadenlos verfolgen und ermorden ließen.
Sie wurden denunziert, außer Landes verwiesen, als Sklaven auf Galeeren
angekettet, in Verliese geworfen, grausam gefoltert, enthauptet, ertränkt,
lebendig verbrannt, manche mitsamt ihres Hauses. Oder, wie ein
Geschichtsforscher im Rückblick auf die Verfolgung in Belgien schrieb:
"Groß
ist die Zahl der Schlachtopfer, welche für ihre Ketzereien auf Befehl des
Kaisers lebendig begraben wurde. Grauen und Entsetzen ergreift einen
"
Welche Ängste und welche furchtbare Not mussten die Täufer erleiden,
alleine dafür, dass sie Christus aufrichtig nachfolgen wollten! Sie wurden
zu Schlachtopfern der kirchlichen Priesterkaste für deren grausamen
Religionskult, einschließlich der "reformierten" Protestanten in der
Schweiz, obwohl deren mörderischer "Reformator" Zwingli die Täufer
dafür lobte, "dass ihr Leben vortrefflich ist".
Als ein Helfer der Inquisition in den Niederlanden bei der Verfolgung eines
Täufers im Eis eines Weihers einbrach, kehrte der Fliehende um und rettete
dem Verunglückten das Leben. Daraufhin wurde er von weiteren Verfolgern
gefangen und ohne Gnade später lebendig verbrannt.
"Täufer" oder "Wiedertäufer"
wurden die Christen von ihren Gegnern genannt, weil sie sich als
Entscheidung für eine freie Nachfolge Christi erneut taufen ließen. Sie
selbst nannten sich oft "Brüder
und Schwestern in Christus"
oder "Gemeinde Gottes". Und bis auf wenige Ausnahmen waren
es friedfertige Urchristen, die Kriege, Priestertum, in Reichtum schwelgende
Kirchenmänner und deren Kulte ebenso ablehnten wie Versklavung und
Unterdrückung der Armen durch Fürsten, Bischöfe und Klöster. Und auch
Kirchenvertreter ihrer Zeit mussten zugeben, dass bei ihnen
"Demut,
Geduld, Treue, Sanftmütigkeit, Wahrheit ... und allerlei Aufrichtigkeit
gespürt und vernommen wird, also dass man meinen sollt, sie hätten den hl.
Geist Gottes".
Die so genannten "Täufer" waren aufs Ganze keine einheitliche Bewegung. Unter dem
Druck der Verfolgung gaben einzelne Zusammenschlüsse die
Gewaltlosigkeit auf, und sie sollen sich ähnlich verhalten haben wie die zuvor dort herrschenden Katholiken,
so zumindest die von der Machtkirche infiltrierte Geschichtsschreibung. Als
Beispiel wird aber meist nur Münster genannt, wo
deren kurzzeitiges Stadt-Regiment von den Kanonen des Bischofs 1535 in Trümmer gebombt wurde
und die Einwohner anschließend zum großen Teil hingerichtet wurden. In
Wirklichkeit war diese Gruppe, so die katholische "Berichte" überhaupt zutreffen
und nicht manipuliert oder erlogen sind, nicht repräsentativ für die Bewegung.
Die allergrößte Mehrheit der Brüder und Schwestern in Christus waren Gottsucher in den Spuren des Jesus
von Nazareth, und sie lebten völlig friedfertig, wie zum Beispiel die
Gefolgsleute des 1536 in Innsbruck lebendig verbrannten Jakob Hutter. Sie
gründeten Lebens- und Arbeitsgemeinschaften, in denen sie die Gütergemeinschaft
der ersten Christen anstrebten: Ehrliche Arbeit ohne Müßiggang, gemeinsamer
Besitz, gemeinsame Kindererziehung und die Laienpredigt (also Ablehnung einer
Priesterkaste) waren die Grundpfeiler ihrer "Bruderhöfe".
Weil sie den Kriegsdienst und übrigens auch jegliche Steuern für kriegerische
Zwecke verweigerten, wurden sie immer wieder schikaniert, vertrieben oder
ermordet, mussten über Mähren, Siebenbürgen, Russland bis schließlich nach
Amerika ziehen, um nach ihren Überzeugungen friedlich leben zu können. Solche
Höfe der "Hutterer" und "Mennoniten" (benannt nach dem Niederländer Menno
Simons), die aus den damaligen Bewegungen hervorgingen, gibt es noch heute,
doch sie sind über die Jahrhunderte oftmals erstarrt, zum Beispiel aufgrund
eines wörtlichen Bibelglaubens oder durch eine rückwärtsgewandte Ablehnung von
Technik. Auch hielten manche von ihnen noch an der Erfindung jener Priesterlehre
fest, wonach Christus am Kreuz angeblich einen "Zorn" Gottes gesühnt hätte und
dass Seine Hinrichtung von Gott so gewollt und angeblich "heilsnotwendig" gewesen wäre.
Dabei ging es den Mördern von Jesus von Nazareth nur darum, ihn zum Schweigen zu
bringen und deshalb umzubringen.
Dieses kirchliche Sühnopfer-Konstrukt, um von den brutalen Fakten abzulenken,
haben sich vor allem heutige so genannte Baptisten (wörtlich "Täufer") zu Eigen
gemacht,
die aber mit den mutigen Nachfolgern Jesu im 16. und 17. Jahrhundert, die damals zu Tausenden ermordet wurden,
kaum viel mehr als den Namen gemeinsam haben und die sich längst mit der gegen
Christus gerichteten katholischen und evangelischen Kirchenmacht verbündet bzw. arrangiert
haben.
Einen anderen zentralen Verrat der Kirche an der Lehre Jesu hatten jedoch
diese Bewegungen zu allen Zeiten erfasst und folglich in ihren Reihen abgestellt: die Zwangschristianisierung ganzer Völker durch die Säuglingstaufe und
damit die Vereinnahmung schon der kleinen Kinder als Kirchenmitglieder unter
Androhung von Todesstrafe und angeblich
ewiger Hölle bei Nichtbefolgung,
letzteres bis heute!
Ihre
langjährige Verfolgung beweist die Vehemenz, mit der die Kirche gegen alle Menschen vorging,
die es wie die Brüder und Schwestern in Christus halten wollten und die Taufe erst als eine freie
Willensentscheidung mündig gewordener Menschen befürworteten. Doch die Rache der
Kirche war gerade gegenüber diesen Menschen, denen man nichts anhängen konnte
außer einer Abweichung vom kirchlichen Glauben, bestialisch. Von ihrem
Taufsakrament lehren die Kirchenführer bis heute unter Androhung ewiger
Höllenstrafen verbindlich, dass es niemals rückgängig gemacht werden könne, was
auch durch das schlimme Sprichwort zum Ausdruck kommt, der den totalen
dämonischen Machtanspruch der Vatikankirche auch auf die Seele des Menschen dokumentiert und
lautet "Einmal katholisch, immer katholisch".
Doch immer mehr Menschen weigern sich, diese kirchliche Totalvereinnahmung ihres
Lebens zu tolerieren und fordern nach ihrem Kirchenaustritt auch ihre Streichung
aus den kirchlichen Taufregistern. Man müsse sich ja auch nicht gefallen lassen,
für alle Zeiten auf den Mitgliederlisten der Mafia registriert zu werden, wenn
man sich dort zu 100 % distanziert hat. Und mit dem lebendigen Gott, dem Ewigen,
hat die Kirchentaufe nichts zu tun. Nach nahezu 2000 Jahren ist nun die Zeit
gekommen, welche das Ende des Kirchenbetrugs markiert und immer mehr Menschen
erkennen, wie wahre Nachfolger Jesus in allen den Jahrhunderten den Weg für das
Wiederkommen von Christus vorbereiteten.
Zu diesem Thema siehe auch Der Theologe Nr. 107
Der "Pfeifer von Niklashausen",
ein ermordete Prophet,
und Der Theologe Nr. 10 Thomas Müntzer
und die Zwickauer Propheten. Auf den Spuren von Christus. Von Martin Luther und
Philipp Melanchthon verfolgt
Lesen Sie auch den spannenden Reisebericht in die Vergangenheit (und doch auch in die Gegenwart) des Urchristentums: Auf den Spuren der Bogumilen eine Reise nach Dalmatien und Bosnien
Links:
Der Text kann wie folgt zitiert werden:
"Der Theologe", Herausgeber Dieter Potzel, Ausgabe Nr.
92, Matthias Holzbauer, Dieter Potzel Urchristentum Christenverfolgung
durch die Kirche,
Wertheim 2015, zit. nach
theologe.de/urchristentum_christenverfolgung-durch-kirche.htm,
Fassung vom
11.1.2025,
Copyright © und Impressum siehe
hier.
Die Ausgabe Nr. 92 ist teilweise eine überarbeitete und erweiterte Fassung
einzelner Aufsätze in dem Buch
Verfolgte Gottsucher von Matthias Holzbauer,
Marktheidenfeld 2004. Einige Beiträge wurden in den Jahren 2017 bis
2019 neu geschrieben und seither bis heute [2025] weiter aktualisiert.
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