Hagen - Betriebshof Minervastraße
Stillgelegt: 1977
Status: Gleisreste noch vorhanden (Stand: März 2019)
[01] Ehemaliges Betriebshofgelände mit dem Rest des Außengleises
Januar 2018 © Tramtracks
Spuren der Straßenbahn in Hagen sind äußerst rar geworden, Schienenrelikte fast gar nicht mehr vorhanden. Doch es gibt sie noch: Auf und vor dem Gelände des ehemaligen Betriebshofs Minervastraße wird der Gleisarchäologe fündig. Dieses kleinere Depot war entstanden, als die Kleinbahn Haspe – Voerde – Breckerfeld 1927 in das Netz der Hagener Straßenbahn integriert wurde. Vom 22. Mai 1927 an gab es eine durchgehende Linie 3 von Emst über die Hagener Innenstadt und Haspe zum Schützenhof. Im Dezember desselben Jahres konnte dann die gesamte Route bis zum Bahnhof Breckerfeld befahren werden, weil die ursprünglich mit Dampfloks betriebene Kleinbahnstrecke nun elektrifiziert war.
Das Gelände des ehemaligen Betriebshofs Minervastraße liegt quasi im Hinterhof zwischen Wehringhauser Straße und dem Eisenbahndamm, auf dem heute die S-Bahnlinie S8 fährt. Es war zwei Jahrzehnte lang von einer Autowaschanlage genutzt worden, die sich aber am Ende vermutlich wegen verstärkter Konkurrenz vor Ort nicht mehr rentierte. Im Februar 2020 wurde die Waschstraße abgerissen. Auf dem Grundstück war noch lange das Außengleis zu sehen, das nördlich um die Wagenhalle herumführte.
[02] Einfahrt zum ehemaligen Betriebshofgelände
Januar 2018 © Tramtracks
[03] Zufahrt zum ehemaligen Betriebshofgelände von der Minervastraße
Januar 2018 © Tramtracks
Die 18 Meter breite und 52 Meter lange Wagenhalle stand direkt am Bahndamm und wurde in den späten 1990er-Jahren abgerissen. Die Einfahrt führte eingleisig in einem Bogen von der Minervastraße auf das Gelände des Betriebshofs. Hinter dem Tor fächerte es sich in fünf Gleise auf, von denen vier in die Wagenhalle hinein reichten.
Von 1927 an waren dort die zwölf Triebwagen untergestellt, die für die Strecke nach Breckerfeld eingesetzt wurden. Die Kleinbahn firmierte nun offiziell als Hagener Vorortbahn. Das Fahrtenangebot war sonntags größer als unter der Woche, denn die Reiseziele in der ländlichen Region waren vor allem für Ausflügler interessant. Werktags wurden die Stationen zwischen Schützenhof und Breckerfeld maximal alle 40 Minuten bedient, tagsüber gab es einen Zwei-Stunden-Takt.
[04] Einfahrt zum ehemaligen Betriebshofgelände mit Gleisrest am Tor
Februar 2006 © Tramtracks
[05] Gleisvorfeld unter dem Asphalt auf dem ehemaligen Betriebshofgelände
Februar 2006 © Tramtracks
[06] Gleisreste an der Zufahrt zum ehemaligen Betriebshof
Februar 2006 © Tramtracks
Bis ca. 2005 war im hinteren Bereich des Betriebshofgeländes noch ein weiteres Gebäude vorhanden, das zum Standort der Hagener Straßenbahn gehört hatte: Es handelte sich um das ehemalige Busdepot, in dem sich die Autowaschanlage zunächst eingerichtet hatte. Genauer gesagt: Es stand nur noch die halbe Bushalle, denn die südliche Hälfte war um die Jahrtausendwende abgerissen worden.
Noch dahinter befand sich ein Lagerplatz, der mit einem separaten Gleis an die Hauptstrecke auf der Wehringhauser Straße angeschlossen war. Diese Fläche okkupiert heute ein Aldi-Supermarkt. Nur einen Steinwurf entfernt, auf der nördlichen Seite der Wehringhauser Straße, lag der erheblich größere Betriebshof Wehringhausen, dessen Gebäude 1983 dem Erdboden gleichgemacht wurden. Das Grundstück ist nun Teil des Firmengeländes des Batterieherstellers Hawker, der zum US-Konzern EnerSys gehört.
[07] Außengleis und ehemaliges Busdepot zwischen Eisenbahndamm und Wehringhauser Straße
Oktober 2004 © Tramtracks
[08] Außengleis auf dem ehemaligen Betriebshof Minervastraße
Oktober 2004 © Tramtracks
[09] Zufahrt an der Minervastraße
Oktober 2004 © Tramtracks
Den Zweiten Weltkrieg überstand das Depot an der Minervastraße erheblich besser als der Betriebshof Wehringhausen, der im Oktober 1943 durch Bomben zum großen Teil zerstört wurde. Bis ins Jahr 1952 hinein ließ deshalb die Hagener Straßenbahn daher sämtliche Schienenfahrzeuge im Depot der Vorortbahn reparieren und untersuchen.
In den Fünfzigern wurden dort dann nur noch Arbeitswagen stationiert. Außerdem war die Gleisbauabteilung an der Minervastraße ansässig, bevor sie 1971 zu dem fünf Jahre zuvor eröffneten Betriebshof Oberhagen umzog. Durch den neuen Standort, an dem die Hagener Straßenbahn ihre Depot- und Werkstattkapazitäten zusammengeführt hatte, wurde die Wagenhalle Minervastraße im Grunde genommen überflüssig. Dennoch wurde sie nicht geschlossen, sondern diente immer noch zum Abstellen von Straßenfahrzeugen des Hagener Nahverkehrsbetriebs.
[10] Gleisrest in der Zufahrt zum ehemaligen Betriebshof von der Minervastraße
Oktober 2004 © Tramtracks
In Wehringhausen fand die Geschichte der Hagener Tram ihren Schlusspunkt: Nach der Einstellung des Straßenbahnbetriebs am 29. Mai 1976 wurden an der Minervastraße zwischen Juni 1976 und Oktober 1977 jene Triebwagen zwischengelagert, die der Verschrottung entgangen waren. Sie traten von hier aus die Reise zu ihren neuen Besitzern in Österreich und Jugoslawien an. Zuletzt gingen fünf Großraumwagen (Vierachser) sowie sechs Gelenktriebwagen (Sechsachser) nach Belgrad.
[11] Betriebshof Minervastraße nach Stilllegung des Betriebs
Juni 1976 © Siegmar Peter
[12] Betriebshof Minervastraße nach Stilllegung des Betriebs
Juni 1976 © Siegmar Peter
Zeitreise in den Juni 1976: Kurz nach der Einstellung des Hagener Straßenbahnbetriebs fotografierte Siegmar Peter die auf dem Depotgelände abgestellten Triebwagen. Vor der Wagenhalle mit ihrem charakteristischen Stufengiebel standen die Tw 56, 55 und 53 (v.li. ) sowie auf dem Hof rechts neben dem Gebäude unter anderem Tw 68, 61 und 84.
Nicht nur die Oberleitung war zu diesem Zeitpunkt schon abgenommen worden. Zwei Gleisstränge wurden offenbar mehr oder weniger provisorisch aufgebaut, um die ausrangierten Fahrzeuge zu parken. Die Wagenhalle wurde im Jahr 2002 schließlich abgerissen.
Auf der Luftaufnahme aus den späten 1990er-Jahren sind die Wagenhalle neben dem Bahndamm sowie die noch vollständige Bushalle zu erkennen. Um aus dem Depot auszurücken, mussten die Schienenfahrzeuge auf der Minervastraße rangieren. Die Ausfahrt ging nur nach Norden, und auf die Wehringhauser Straße konnte nur in Richtung Haspe abgebogen werden.
Auf dem Stadtplan markiert ist die Stelle, an der sich die Wagenhalle befand. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Fundstelle gut erschlossen: Die Buslinie 542 folgen dem alten Linienweg der Straßenbahn durch Wehringhausen (Haltestelle: Akku Hawker). Außerdem liegt die S-Bahnstation Hagen-Wehringhausen in fußläufiger Entfernung (Linie S8).
Literatur
- Rolf Löttgers / Wolfgang R. Reimann: Rund um Hagen. Wuppertal 1989 (S. 113, 116-119, 147, 149)
- Dirk Göbel / Jörg Rudat: Bitte einsteigen – Mit der Straßenbahn quer durch Hagen. Hagen 2009 (S. 222)
- Thomas Koch / Klaus Oehlert-Schellberg: Haspe-Voerde-Breckerfeld. Nordhorn 1999 (S. 36)
-
Wolfgang R. Reimann / Axel Ladleif / Jörg Rudat: Vor Einfahrt: Halt! Hövelhof 2020 (S. 97, 118, 139)