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Spannungsfeld Forst – Jagd: Wildschäden im Wald

  • ️Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg - FVA BW
  • ️Tue Mar 18 2025
  • Regulationsbedarf ist stets erforderlich

Schalenwild könnte in Mitteleuropa in höherer Dichte leben als es aus menschlicher Perspektive darf oder soll. Deshalb muss man seinen Bestand regulieren. Würde die jagdliche Regulation der Bestandshöhe und Bestandsverteilung ersatzlos wegfallen, so würden die Probleme mit Schalenwild wahrscheinlich stark zunehmen und müssten dann durch bezahlte Wildstandsregulatoren gelöst werden.

  • Ursachen von Wildschäden in Mitteleuropa

Überhöhte Schalenwildbestände, ungünstige Wildverteilung sowie wildschadensfördernde Wildbewirtschaftung (ineffiziente Bejagungsmethoden, Fütterungsfehler); hohe Wildschadenanfälligkeit von Wäldern (fehlende Berücksichtigung des Standortfaktors Schalenwild im Waldbau); Zersplitterung und Beunruhigung des Lebensraumes (Verkehrswege, Siedlungsbau, Tourismus, hoher Jagddruck).

  • Problemlösung alleine auf die Wildstandsreduktion auszurichten ist zu wenig

Es sind auch Rücksichtmaßnahmen von forstlicher und landwirtschaftlicher Seite sowie bei Freizeitaktivitäten und Raumplanung notwendig, vor allem Maßnahmen, die vorbeugend auf die Verringerung von Schäden ausgerichtet sind. Es geht darum, Lebensräume möglichst so zu gestalten, dass das Risiko von Wildschäden gemindert, die Wildartenvielfalt gefördert und eine effiziente jagdliche Wildbestandsregulierung ermöglicht wird.

  • Regulation der Schalenwildbestände

Die Abschussplanung sollte sich primär am objektiv festgestellten Wildeinfluss auf die Waldvegetation und nicht an Wildbestandszählungen orientieren; die Abschusserfüllung muss objektiv kontrolliert werden (z. B. Grünvorlage); wirksame Sanktionen bei wiederholter Nichterfüllung sind notwendig.

  • Wildschäden sind auch von Waldstruktur abhängig

Es bestehen stark unterschiedliche Verbiss- und Schälschadendispositionen verschiedener waldbaulicher Betriebsformen. Naturnahe Waldbauformen wie Schirm-, Saum- und Femelschlag sind in der Regel deutlich weniger wildschadenanfällig als Kahlschlag-Altersklassen-Systeme. Der Zustand des Waldes (Lebensraumes) beeinflusst die Tiere und deren Wirkung auf den Wald, d. h. Wild und Wald dürfen nie isoliert betrachten werden. Erst die Einsicht in die Wirkungen des gestalteten Waldes auf das Wild gibt umgekehrt die Möglichkeit, die Wirkungen des Wildes auf den Wald in ihren Ursachen richtig einzuordnen und auch von dieser Seite mögliche Konfliktlösungen zu suchen.

  • Einfluss der Forstwirtschaft auf die Habitatgestaltung und Schadenvorbeugung

Waldbauliche Betriebsform (Ernteverfahren, Verjüngungstechnik, Verjüngungszeitraum); Baumartenwahl, Baumartenmischung; Waldpflege (Technik, Intensität); Walderschließung (Forstwege, Rückegassen). Wildökologische Aspekte sollten man bereits in der forstlichen Planung inhaltlich, räumlich und zeitlich berücksichtigen.

  • Waldbauliche Maßnahmen zur Risikoverminderung von Verbiss- und Schälschäden

Auflockerung des Kronendaches dichter Waldbestände ab dem Dickungsstadium (weniger Klima- und Feindschutz, mehr Nahrungsangebot, frühzeitig gröbere, weniger schälattraktive Borke); Förderung von Mischwald anstelle von wintergrünen Reinbeständen (weniger Klimaschutz, mehr Nahrung durch Blattfall im Herbst, Mast; statt Aufforstung Förderung von natürlicher Waldverjüngung inkl. Verbissgehölze (großflächig ein natürliches Überschussangebot an Jungbäumen, das ohne Schadensfolgen vom Wild genutzt werden kann); Vermeidung optisch auffälliger Waldbestandesgrenzen, wie sie vor allem durch kahlschlagbedingte Steilränder entstehen, dadurch weniger Besiedlungsanreiz für Schalenwild; langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ohne großes Schäl- und Verbissschadensrisiko im Winter gefüttert werden kann, falls Winterfütterung erforderlich ist.

  • Kooperation

Der vielschichtige Ursachenkomplex erfordert zur effizienten Problemlösung eine bessere Kooperation bei stärkerer Einbringung und Verantwortung der Grundeigentümer.

  • Wildökologische Raumplanung ist zweckmäßig

Sie ist ein Instrument zur großräumigen und nachhaltigen Lösung des Mensch-Wildtier-Umwelt-Konfliktes in der Kulturlandschaft. Sie dient der möglichst schadensfreien Integration von Wildtieren in die Kulturlandschaft. Eine Evaluierung der Wildökologischen Raumplanung in Vorarlberg nach 20 Jahren Umsetzung führte zum signifikanten Rückgang der Wildschäden in den meisten Wildregionen. Als primäre und wichtigste Voraussetzung für den Erfolg stellte sich heraus: „Kooperation statt Feindbildpflege“, gemeinsame Ziele von Forst und Jagd und darauf aufbauend Konventionen (Toleranzgrenzen, Maßnahmen und Sanktionen); "Gewehr und Motorsäge" wurde zur Devise. Dies setzt Offenheit, Verständnis und Vertrauen von beiden Seiten voraus.