welt.de

Holocaust-Film: Ferres ist "Unter Bauern" der ewige Gutmensch - WELT

  • ️@welt
  • ️Fri Oct 09 2009
Pfadnavigation
  1. Home
  2. Kultur

Holocaust-Film

Ferres ist "Unter Bauern" der ewige Gutmensch

Veröffentlicht am 09.10.2009Lesedauer: 4 Minuten

1 von 10

Unter Bauern
Veronica Ferris spielt in ihrem neuen Film "Unter Bauern" die Rolle der jüdischen Mutter Marta Spiegel, die sich und ihre Familie mit Hilfe von mutigen Bauern vor den Nazis retten kann.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
Der Pferdehändler Siegmund "Menne" Spiegel (Armin Rohde) soll mit seiner Frau Marga (Veronica Ferres) und der kleinen Tochter Karin (Louisa Mix) in den Osten deportiert werden.Quelle: 3L Filmverleih
Kinostart - "Unter Bauern"
Er bittet seinen Freund Heinrich Aschoff (Martin Horn) um Hilfe.Quelle: dpa/DPA
Unter Bauern
Dieser nimmt Marga und Tochter Karin unter falschen Namen bei sich auf.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
Es beginnt eine Zeit des Wartens in ständiger Angst.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
Auf dem Hof der Familie Aschoff wissen nur der Bauer und seine Frau von der wahren Identität der Gäste.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
Nach anfänglichem Misstrauen entwickelt sich zwischen der jungen Anni (Lia Hoensbroech), der Tochter des Hauses, ...Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
...und Marga Spiegel allmählich eine tiefe Freundschaft.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
Doch dann wird Marga von einer Wirtin aus dem Ort erkannt. Somit erfährt auch Anni die Wahrheit über ihre neue Vertraute.Quelle: 3L Filmverleih
Unter Bauern
"Unter Bauern" erzählt die Geschichte von Menschen, die ihre Freunde nicht dem Schicksal überliesen.Quelle: 3L Filmverleih

Im Holocaust-Film "Unter Bauern" spielt Veronica Ferres eine Mutter, die mit ihrer Tochter vor dem Nazi-Terror flüchtet und sich bei Freunden versteckt. Das Drehbuch konzentriert sich ganz auf die Retter, die zum Teil selber Angst vor und auch Vorurteile gegenüber den Juden haben. Ferres spult dabei ihr übliches Programm ab.

Eine neue Unsitte bürgert sich ein im deutschen Historienfilm. Immer öfter kommen am Ende eines ansonsten reinen Spielfilms Zeitzeugen zu Wort, die das bereits Gesehene damit quasi noch einmal rückbestätigen.

Bei dem Bunker-Film "Der Untergang" etwa wurde die echte (damals schon verstorbene) Hitler-Sekretärin Traudl Junge noch einmal mit Archivbildern eingeblendet. In "Berlin '36" kam kürzlich die echte jüdische Hochspringerin Gretl Bergmann zu Wort. Und nun, am Ende des Films "Unter Bauern", sieht man die echte Marga Spiegel, wie sie den Drehset besucht und die Schauspieler sie dabei respektvoll begrüßen.

Ein Akt der Authentifikation, der das Gesehene quasi mit offiziellem Siegel versieht. Wie bei Buchbiografien seit langem praktiziert, werden nun auch Film-Biografien zunehmend "autorisiert". Was damit bezweckt wird, ist klar: Der Film ist nicht mehr angreifbar, wenn ein "So war es" quasi als Schlusssynkope gesetzt wird. Die Filme reduzieren sich dadurch allerdings selbst auf das individuell Biografische, wo sie sich doch zum Exempel, zum Sinnbild für einen Gesamtzustand hätten auswachsen können.

Und: Sie bleiben dennoch angreifbar, denn natürlich müssen all diese Filme auch mit dramaturgischen Schliffen und Zuspitzungen arbeiten, fiktiven Elementen mithin, die durch die Verifizierung der Zeugen aber quasi als historisch belegt empfunden werden. Das sind heikle Momente. Und das ist schade, da es ihrer eigentlich gar nicht bedarf. Die Filme machen sich damit letztlich nur kleiner, als sie sind.

Ganz besonders trifft dies auf den Film "Unter Bauern" zu. Marga Spiegel, eine Jüdin der Ahlener Synagogengemeinde, hat sich mit ihrer Tochter zwei lange Jahre, von 1943 bis 1945, unter Bauern versteckt. Sie schrieb später ein Buch darüber, "Retter in der Nacht", das 1967 erschien.

Einen - ebenso autobiografischen - Vergleichsfilm haben wir vor einiger Zeit im Fernsehen gesehen: die Verfilmung von Michael Degens Buch "Nicht alle waren Mörder" (2006), in dem ebenfalls eine Mutter mit ihrem Sohn untertauchte. Die Angst vor Entdeckung und Denunziation, aber auch die Angst davor, der Anspannung nicht mehr gewachsen zu sein, war dabei in jeder Szene zu spüren.

Genauso beginnt nun auch die Verfilmung von Martha Spiegels Buch mit dem etwas merkwürdigen Titel "Unter Bauern", der eher an eine Fernseh-Dating-Show denken ließe. Aber der neue Titel gibt nur sinnig den Fokus wieder, den die Verfilmung nimmt. Die nämlich hat gar nicht so sehr die Mutter und ihr Kind im Blick als eben jene Menschen auf dem Land, die sie verstecken. Ein Holocaust-Film nicht aus der Sicht der Opfer, aber auch nicht der Täter, sondern - der Retter.

Wer glaubte, Veronica Ferres spielte hier einmal mehr den ewigen Gutmenschen, die mutige Heilige, die sich durch schwere Zeiten trotzt wie in "Die Frau vom Checkpoint Charlie", "Neger, Neger, Schornsteinfeger" oder "Annas Heimkehr", sieht sich bestätigt und betrogen zugleich. Denn um ihre Angst und die ihrer Tochter geht es nur am Rande. Ob und wie sie als verwöhnte Städterin mit der körperlichen Arbeit zu Recht kommt, wird gleichfalls nur nebenbei abgetan.

Nein, das Drehbuch - mitverfasst von Imo Moszkowicz, ein Ahlener Überlebender wie Marga Spiegel -, konzentriert sich ganz auf die Retter. Die zum Teil selber Angst vor, auch Vorurteile gegenüber den Juden haben. Die aber den Rassenwahn dennoch nicht mitmachen wollen.

Die vor den Nachbarn, ja vor den eigenen Kindern eine Komödie spielen. Und am Ende sogar den größeren Schmerz erfahren: Der Bauer verliert seinen Sohn im Krieg, die Jüdin kann am Ende ihren Mann wieder in die Arme schließen. Man scheint dabei irgendwie zwei ganz unterschiedlichen Filmen beizuwohnen: hier Veronica Ferres, die ihre Übermutter-Rolle routiniert per Autopilot herunterspult; da Theaterschauspieler wie Margarita Broich oder Martin Horn, die für Film noch relativ unverbrauchte Gesichter haben und hier mit sehr starken Auftritten überzeugen.

Es war dezidiert Imo Moszkowicz' Idee, als Alternative zur gängigen Opferperspektive die Retterperspektive einzunehmen. Der Film ist gedacht als Denkmal für die wenigen, die Zivilcourage bewiesen und geholfen haben, auch wenn sie damit ihr eigenes Leben (und das ihrer Familien) in Gefahr gebracht haben.

Und doch: Durch die Aufnahmen am Ende, wenn die echte Marga Spiegel - von der Tochter ihrer Retterin, Anni Aschoff, gestützt - am Drehset erscheint, beschleicht einen das Gefühl, der Film sei doch eher für sie gedreht. Und nicht für das Publikum, an das sie sich doch auch mit ihrem Buch gewandt hat.