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Branchenfusion

Jetzt machen es die Bücher wie die Autos

Veröffentlicht am 29.10.2012Lesedauer: 3 Minuten

Gelingt die Fusion, werden Haruki Murakami, Toni Morrison, Dan Brown, John Banville, John Irving oder John Grisham unter demselben Dach erscheinen. Hier Bücher von Penguin
Gelingt die Fusion, werden Haruki Murakami, Toni Morrison, Dan Brown, John Banville, John Irving oder John Grisham unter demselben Dach erscheinen. Hier Bücher von PenguinQuelle: AFP

Die Verlagsriesen Random House und Penguin fusionieren. Selbst wenn man keine Zahlen sprechen lässt, sondern Namen, sind die Dimensionen schwindelerregend. Im Blick hat der neue Konzern China.

Seit Montag acht Uhr drei ist es offiziell: Gargantua hat Pantagruel gefunden, die Verlagsriesen Random House, eine Bertelsmann-Tochter, und Penguin, die Buchsparte des Medienriesen Pearson, fusionieren. Vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden entsteht der größte Buchverlag der Welt, weniger ein Haus als ein Netzwerk, das Netzwerke verbindet. Selbst wenn man keine Zahlen sprechen lässt, sondern Namen, sind die Dimensionen schwindelerregend: Zu Random House gehören die Verlage Doubleday, Knopf, Bantam und Ballantine, zu Penguin Viking Press, New American Library und Putnam’s – und dabei klammert der große Deal die deutschen Random House-Verlage noch aus: Goldmann, Heyne, Luchterhand und so weiter.

Englischsprachige Klassiker in Ausgaben zu lesen, die nicht irgendwo in den Bilanzen des neuen Riesenkonzerns Penguin Random House auftauchen, dürfte schwierig werden: Allein die Penguin Classics versammeln die komplette englische Literaturgeschichte – jetzt liegt sie zu 53 Prozent bei Bertelsmann in Gütersloh. Aber der Mini Cooper ist ja auch nach München umgezogen.

„NICHT gut für Autoren“

Gelingt die Fusion, werden Haruki Murakami, Toni Morrison, Dan Brown, John Banville, John Irving oder John Grisham unter demselben Dach erscheinen; „Fifty Shades of Grey“, Walter Isaacsons Steve Jobs-Biografie oder der neue Kassenschlager der Prinzen-Schwägerin Pippa Middleton – das alles wären Penguin Random House-Titel. Und der erste amerikanische Literaturagent hat sich auch prompt beschwert: „NICHT gut für Autoren“, zitiert ihn die „New York Times“.

Der neue Konzern würde ein Viertel des amerikanischen Buchmarkts kontrollieren: Agenten dürfte es schwerer fallen, einen zünftigen Bieterwettstreit zu entfachen; Autoren dürften schneller die Alternativen ausgehen; der Weg vom Regen in die Traufe ist noch ein bisschen kürzer als bisher.

Doch nicht, dass es am Verhandlungstisch um die Brosamen gegangen wäre, die bei Verlagsgeschäften für die allermeisten Autoren abfallen. Wenn das Gold des Informationszeitalters die Rechte sind, die ein Unternehmen verwaltet, rüsten sich Bertelsmann und Pearson für den Konkurrenzkampf mit Amazon, Apple, Google & Co., den großen Technologiefirmen, die seit Erfindung des E-Books das Verlagsgeschäft revolutionieren.

Im vergangenen Jahr sind die Erlöse aus Bertelsmanns Buchsparte insbesondere aufgrund vieler Insolvenzen im Buchhandel gesunken – kompensiert hat sie, zumindest teilweise, das digitale Geschäft. Doch selbst der größte Buchverlag der Welt ist ein Zwerg gegen die Riesen aus dem Silicon Valley.

Chinesischer Buchmarkt beachtenswert

Andererseits ist die Strategie, die sich mit dieser Fusion fortsetzt, viel älter als das E-Book-Geschäft. Als Bertelsmann 1998 Random House übernahm, bedeutete das die Internationalisierung des Verlagsgeschäfts: Der europäische Buchmarkt verschmolz mit dem amerikanischen. Die neue Fusion hingegen gilt vor allem den Schwellenmärkten China und Indien, wo Penguin, der kleinere Partner, weit besser verankert ist als Random House.

Penguin China gibt es schon, im Programm findet sich „Der Zauberer von Oz“ ebenso wie Khaleid Hosseinis „Drachenläufer“ – für idealerweise eine Milliarde Leser. Am Ende nämlich machen es die Bücher nicht anders als die Autos – sie gehen dahin, wo sich Käufer finden.

Denn von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, hat sich der chinesische Buchmarkt zum zweitgrößten der Welt entwickelt – mit über 10 Milliarden Euro ist er nach einer neuen Studie der „International Publishers Association“ bereits eine Milliarde schwerer als der deutsche. Sollten Historiker also später einmal nach dem Stichtag für die Globalisierung auch des Buchmarkts suchen: Der 29. Oktober 2012 wäre keine schlechte Wahl.