Bundesverfassungsgericht: Fünf-Prozent-Hürde für Kommunalwahlen gekippt - WELT
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Bundesverfassungsgericht
Fünf-Prozent-Hürde für Kommunalwahlen gekippt
Veröffentlicht am 13.02.2008Lesedauer: 3 Minuten

Künftig können auch Parteien in Stadträte und Kreistage einziehen, die weniger als fünf Prozent der Stimmen erreichen. Das Bundesverfassungsgericht gab einer Klage der schleswig-holsteinischen Grünen und der Linken statt und kippte die Fünf-Prozent-Klausel – aber nur für Kommunalwahlen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gekippt. In seiner am Mittwoch verkündeten Entscheidung gab der Zweite Senat einer Organklage der Grünen gegen die Sperrklausel Recht, der sich auch der Landesverband Schleswig-Holstein der Linkspartei angeschlossen hatte. Zur Begründung heißt es, die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien. Hinreichende Gründe für diesen Eingriff seien nicht ersichtlich.
Konkret richtete sich der Antrag der Grünen gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Abschaffung der Sperrklausel im Kieler Landtag vom Dezember 2006. Dagegen hatte die Mehrheit der CDU/SPD-Koalition in Schleswig-Holstein gestimmt. Mit seinem Nein habe das Landesparlament die Rechte der Antragstellerin verletzt, heißt es in dem von Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer verkündeten Urteil. Die Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen im nördlichsten Bundesland bewirke eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen, weil die für eine Partei mit weniger als fünf Prozent abgegebenen Stimmen ohne Erfolg blieben.
Zwingende Gründe dafür seien aber nicht erkennbar. Im Gegensatz zu Bundestag und Landtagen gebe es in den Kommunen nicht die Erforderlichkeit klarer Mehrheiten zur Sicherung einer aktionsfähigen Regierungen. Schließlich übten Kreistage und Gemeindeparlamente ja keine Gesetzgebungstätigkeit aus. Vielmehr seien ihnen in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut.
Mit bislang Schleswig-Holstein sowie Thüringen und dem Saarland gibt es bundesweit nur noch drei Flächenländer mit einer Fünf-Prozent-Klausel auch bei Kommunalwahlen. In Rheinland-Pfalz gilt eine faktische Sperrklausel von drei Prozent. In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ist die Fünf-Prozent-Klausel unumstritten, weil die dortigen Stadtparlamente zugleich Landtage sind. Auch im Saarland werden die Stimmen nach einer Abschaffung der Klausel lauter. Die FDP im Saarland kündigte an, dass sie gegen die Fünf-Prozent-Klausel klagen wolle.
In dem Karlsruher Urteil vom Mittwoch heißt es, auch die Sicherung einer Orientierung politischer Kräfte am Gesamtwohl sei kein zwingender Grund für die Beibehaltung der Sperrklausel. Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folge, dass die Körperschaften in den Kreisen, Städten und Gemeinden nicht nur am Staatsganzen orientierten Parteien vorbehalten sein dürfe. Auch ortsgebundenen, lediglich kommunale Interessen verfolgenden Wählergruppen müsse eine chancengleiche Wahlteilnahme gewährleistet werden.
Auch könne die Fünf-Prozent-Klausel nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, verfassungsfeindliche und extremistische Parteien von den Kommunalparlamenten fernzuhalten. Denn sie treffe ja alle Parteien gleichermaßen – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung. Zudem sei mit der Direktwahl der Landräte und der Bürgermeister in hauptamtlich verwalteten Städten und Gemeinden ein wesentliches Argument für die Sperrklausel zur Sicherung einer funktionsfähigen Verwaltung entfallen.
Die Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, Marlies Fritzen, begrüßte die Entscheidung als einen „Sieg für die Demokratie“. Sie gehe davon aus, dass der Kieler Landtag jetzt schnell das Wahlrecht ändert, so dass bereits bei den Kommunalwahlen am 25. Mai keine Fünf-Prozent-Klausel mehr gilt.
(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvK 1/07)
maw/ap/wal