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Verstrickungen
Spendenrat schließt umstrittene Kinderhilfe aus
Veröffentlicht am 03.06.2008Lesedauer: 5 Minuten
Im Spendenwesen ist der nächste Sündenfall zu beklagen: Die Deutsche Kinderhilfe (DKH) wurde aus dem Deutschen Spendenrat, einem Dachverband gemeinnütziger transparenter Organisationen, wegen mehrerer Vergehen ausgeschlossen. Die Verstrickungen der Organisation werden immer dubioser, wie WELT ONLINE herausgefunden hat.
Die Probleme bei der DKH, ehemals Deutsche Kinderhilfe Direkt, sind anders gelagert als beim Unicef-Skandal um dubiose Beraterhonorare, und manche Spendenexperten halten sie möglicherweise für gravierender. Denn die Kinderhilfe wurde nicht nur mangelhafter und verspätet abgegebener Jahresbilanzen aus dem Spendenrat geworfen. Im Votum des Schiedsausschusses wird betont, dass der Verein nicht transparent genug sei. Es werden „wirtschaftliche Interessenkonflikte“ und eine „Verschleierung von Interessenlagen und Zusammenhängen“ beklagt.
Zudem hat WELT ONLINE exklusiv während monatelanger Recherchen fragwürdige Verbindungen zwischen der Kinderhilfe und einem Unternehmen für Kundenkarten und Bonusprogramme offen gelegt.
Dann sorgte die Kinderhilfe vergangene Woche mit einer beispiellosen Abmahnoffensive gegen fast alle der übrigen Spendenratsmitglieder für Empörung. Die Kinderhilfe behauptet, auch andere Mitgliedsvereine hätten den Anforderungen des Spendenrates nicht genügt. Per Unterlassungserklärung wollte sie den Vereinen verbieten, damit zu werben, sie hätten eine dem Spendenrat genügende Jahresbilanz 2006 vorgelegt. Da half es auch nichts mehr, dass Vereinschef Georg Ehrmann kurz vor der Mitgliederversammlung ein Friedensangebot unterbreitete.
Der Vorsitzende des Spendenrates, Willi Haas, äußerte sich tief enttäuscht über das Verhalten der Deutschen Kinderhilfe: „Hier hat ein Verband versucht, das System für sich zu instrumentalisieren und dabei billigend in Kauf genommen, dass alle Spenden sammelnden Organisationen in schlechten Ruf geraten und gemeinnützige Mittel für unnötige Rechtsstreitigkeiten verschwenden. Das kann man nicht akzeptieren“. Einem überraschenden Antrag aus Reihen der Mitglieder, die Kinderhilfe habe sich vereinsschädigend verhalten, wurde mehrheitlich entsprochen.
Haas sagte ferner zu den Verstößen und dem Ausschluss der Kinderhilfe: „In ihrer Stellungnahme und der Anhörung hat die Deutsche Kinderhilfe die gegen sie erhobenen Vorwürfe, mehrere Bestandteile der Selbstverpflichtungserklärung nicht erfüllt zu haben, nicht ausräumen können. Vielmehr haben Erkenntnisse über die tatsächlichen Strukturen und Aktivitäten des Vereins die Einschätzung über ihn bekräftigt.“
Die Deutsche Kinderhilfe bestätigte ihrerseits per Pressemitteilung, sie sei „in der Vergangenheit liegende Verstöße gegen die Selbstverpflichtungserklärung“ und eines „zerstörten Vertrauensverhältnisses“ ausgeschlossen worden. Der umstrittene Verein betonte, „dass wir aus unseren Fehlern gelernt haben und nun auf der Grundlage der Selbstverpflichtungserklärung Transparenz auf hohem Niveau hergestellt haben.“ Die Kinderhilfe kritisierte erneut den Spendenrat und Mitglieder: In der Mitgliederversammlung sei „die Tragweite und Wichtigkeit der Einhaltung der Selbstverpflichtungserklärung noch nicht erkannt“ worden.
Der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Kinderhilfe wurde im vergangenen Jahr akut: Der nordrhein-westfälische Landesverband der Deutschen Kinderhilfe war bei der rheinland-pfälzischen Kontrollbehörde ADD unangenehm aufgefallen. Den Hütern des Spendenwesens war nicht klar, ob der Kinderhilfe-Landesverband NRW mit einem Jahreserlös von 2,66 Millionen Euro in 2006 seine Gelder ausreichend satzungsgemäß verwendet. Immerhin rund 1,6 Millionen entfielen auf Personalkosten und Altersversorgung. Der Landesverband NRW stellte auf Druck des ADD die Mitgliederwerbung zumindest in dem Bundesland ein.
WELT ONLINE hat mithilfe von Vereins- und Handelsregisterakten verschiedener Amtsgerichte herausgefunden, dass die Kinderhilfe enge Verbindungen zu Frank Hippen und Holger Klinz, Geschäftsführer der „3 W Membership Marketing GmbH“, kurz 3 W GmbH genannt, unterhält. Das Bielefelder Unternehmen mit Millionenumsatz hat sich auf Kundenkarten, Bonuspakete und Vorteilsclubs spezialisiert. Vereinschef Georg Ehrmann räumt ein, er stünde mit Hippen und Klinz in „geschäftlichen Beziehungen“.
Der erfahrene Spendenexperte Christoph Müllerleile aus Hessen kommt zu folgender Einschätzung „Es hat die Anmutung, dass die Konstruktion von Anfang an als Geschäftsmodell angelegt war. Die Gemeinnützigkeit der Deutschen Kinderhilfe insgesamt wird in Frage gestellt.“ Er moniert die „Methode, aus einem gemeinnützigen Verein ein Wirtschaftsunternehmen zu machen, und es als quasi immer noch gemeinnützig tätig erscheinen zu lassen“.
Der Vereinschef der Kinderhilfe, Georg Ehrmann, weist solche Vorwürfe zwar vehement zurück. Allerdings hat der Verein im Zuge der Recherchen nachgearbeitet: So werden in der „Entstehungsgeschichte“ auf der Homepage die Verbindungen zu 3 W nun deutlicher gemacht.
Servicegesellschaft statt Spendenorganisation
Zuvor wurde durch Recherchen von WELT ONLINE erstmals öffentlich bekannt, dass Hippen und Klinz ab dem Jahre 2000 den Bundesverband der Deutschen Kinderhilfe Direkt, den Landesverband Nordrhein-Westfalen und die vereinseigene DKD Service GmbH gegründet haben. Die beiden Vereinsvorsitze und den Geschäftsführerposten übernahm kurze Zeit später Ehrmann. Mittlerweile kümmern sich 3 W und die Service GmbH des Kinderhilfe-Landesverbandes um das Bonuspaket „myfam“ für Fördermitglieder des Vereins.
Weitere Recherchen ergaben, dass Ehrmann 2001 zudem Vorsitzender des Vereins „Der Kleine Prinz“ in Bonn wurde. Die Mitgliederwerbung beim „Kleinen Prinzen" hatte zuvor bereits eine Vorgänger-GmbH von Hippen und Klinz übernommen. Der Verein „Der Kleine Prinz“ trat als Mitglied der Kinderhilfe NRW bei. Bereits im Juli 1999 monierte das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), das als ein Kontrollorgan im Spendenwesen gilt, der Verein werbe „in erster Linie durch professionelle Werber (so genannte Drücker) um Fördermitgliedschaften“. Es wurde Kritik an der Rechnungslegung geübt. Es seien „keine unmittelbar satzungsgemäßen Ausgaben erkennbar“. Weiter heißt es: „Darüber hinaus kann das DZI eine ausreichende Trennung kommerzieller Belange und gemeinnütziger Arbeit nicht zweifelsfrei erkennen.“
Im Jahr 2002 kündigte Ehrmann dem Amtsgericht Bonn die Auflösung des „Kleinen Prinzen“ an und schrieb, man habe den Fördermitgliedern eine Vertragsumstellung angeboten: „Sie sind nunmehr Kunden einer Servicegesellschaft, die Assekuranzleistungen rund um das Kind vertreibt.“
Die Vorgänge um den „Kleinen Prinzen“ zeigen, wie früh sich Hippen und Klinz für Vereine zu interessieren begannen. 3-W-Geschäftsführer Klinz räumte vergangene Woche, ausgerechnet auf einer Pressekonferenz der Deutschen Kinderhilfe, erstmals ein: „Das, was in der Presse kam von wegen wirtschaftlicher Nähe, das haben wir bis dato gar nicht gesehen, und darum haben wir es bis vor zwei, drei Monaten auf unserer Homepage gar nicht kommuniziert.“ Nach dem Ausschluss aus dem Spendenrat kündigte die Kinderhilfe eine „Reform“ ihrer Strukturen an.