Anti-Kapitalismus: Linker Publizist von der NPD für "Volksfront" gelobt - WELT
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Anti-Kapitalismus
Linker Publizist von der NPD für "Volksfront" gelobt
Veröffentlicht am 16.01.2009Lesedauer: 3 Minuten
"Finanzsektor entschädigungslos nationalisieren" und die "angloamerikanische Finanz-Aristokratie aus Europa" drängen: Der linke Publizist Jürgen Elsässer hat mit seinen Ideen zum Aufbau einer Volksfront die eigenen Reihen sehr verärgert – weil ausgerechnet die NPD kräftig applaudierte.
In der Kneipe „Max & Moritz“ in Kreuzberg wird getreu den Namensgebern nicht selten Subversives zum Besten gegeben. Doch nichts weniger als den Umsturz verkündete vergangene Woche dort der linke Publizist Jürgen Elsässer – vor großem Publikum. Unter den 120 Zuhörern waren aber nicht nur Linke, also nicht nur Leute, die Elsässers Bücher über das „Terrorziel Europa“, seine Thesen zum „Angriff der Heuschrecken“ oder seine vielen Artikel im „Neuen Deutschland“ gelesen hatten. Nein, auch Neonazis wurden gesichtet, etwa der bekannte Holocaust-Leugner Gerd Walther, der am Ende der Veranstaltung von Antifa-Leuten niedergeschlagen wurde.
Elsässer hatte dazu eingeladen, an diesem Abend eine „Volksfront gegen das Finanzkapital“ ins Leben zu rufen. „Die aktuell einsetzende Depression ist Ergebnis eines bewussten Angriffs des angloamerikanischen Finanzkapitals auf den Rest der Welt.“ Bei der Abwehr dieses Angriffs spiele der Nationalstaat die entscheidende Rolle, heißt es in dem Aufruf. Hauptaufgabe der Linken sei, so Elsässer, der Aufbau einer Volksfront, die das national beziehungsweise „alteuropäisch“ orientierte Industriekapital einschließen solle. Elsässer will den Finanzsektor „entschädigungslos nationalisieren“ und die „angloamerikanische Finanzaristokratie aus Europa“ drängen. Zum Start der Volksfrontbewegung soll bald ein „auf keinen Fall marxistischer Kongress“ veranstaltet werden.
Die Neonazis im Publikum zeigten: Mit dem Aufruf hat sich Elsässer zweifelhafte Freunde gemacht – NPD-Funktionäre. Holger Apfel, der NPD-Vorsitzende im Sächsischen Landtag, lobte die Initiative schon am Tag vor dem Treffen von Kreuzberg. Elsässer sei „ein Eisbrecher, der auf nationaler Grundlage den Dualismus von rechts und links durch die Schaffung einer antiglobalistischen und antiimperialistischen Gerechtigkeitsbewegung überwinden will“. Die NPD will das Projekt „konstruktiv begleiten“.
Elsässer ohne Kontakt zur NPD
Gleich beeilte Elsässer sich zu betonen, dass er mit den Rechten nichts am Hut habe. Eine Mitarbeit von NPDlern werde strikt abgelehnt. Doch das Vokabular, das er verwendet, seine Reduktion des Kapitalismus auf die „angloamerikanische Finanz-Aristokratie“, trägt ausländerfeindliche Züge. Elsässer zielte auch seinem Arbeitgeber zu offensichtlich nach rechts: Das „Neue Deutschland“ kündigte seinem Autor Mitte der Woche den Vertrag.
Auch die Linkspartei distanziert sich von dem Mann, den sie einmal für eine Beratertätigkeit im Rahmen des BND-Untersuchungsausschusses und als Autor der Fraktionszeitung „Clara“ in Betracht gezogen hatte. „Herr Elsässer meint offensichtlich, dass es zwischen Rechten und Linken gemeinsame Interessen geben könnte“, so Hendrik Thalheim, Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag. „Es kann aber keine Zusammenarbeit mit den Rechten geben.“ Abgesagt wurde inzwischen eine Diskussion zwischen dem Bundestagsabgeordneten der Linken, Norman Paech, und Elsässer, die eigentlich am 18. Januar in Hamburg hätte stattfinden sollen. Seine „Volksfront-Initiative“ wird als Grund für die Absage genannt.
Elsässer hat mit seiner Aktion den kaum kaschierten Versuch unternommen, eine sogenannte Querfront aufzubauen – ein Zusammengehen von Rechts- und Linksradikalen unter Betonung des Nationalismus. Jürgen Gansel, Mitglied des NPD-Bundesvorstands, lobte Elsässer dafür schon 2007: „Das Entscheidende ist aber seine Absage an Randgruppenkult, US-Hörigkeit und Israeltümelei.“