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Jazz für morgen

  • ️Maxi Sickert
  • ️Thu Sep 04 2008

Nachruf: Jazz für morgen

Im Frühjahr 2008 wurde Esbjörn Svenssons Klangästhetik mit dem German Jazz Award ausgezeichnet. Nun ist der Pianist 44-jährig in Stockholm gestorben. Eine Würdigung

Aktualisiert am 4. September 2008, 14:55 Uhr Quelle: ZEIT online

Erst im vergangenen Winter während einer Australienreise hatte Esbjörn Svensson seine Leidenschaft für das Tauchen entdeckt, für das Klang- und Körpergefühl unter Wasser, das Tönen der Innenräume, die Schwerelosigkeit und den Druck der Tiefe. Die Farben, die weiche Kühle des Stroms. Vielleicht hätte er das Betreten des Unerforschten noch in Musik umgesetzt, Svensson, der meditativ Konzentrierte, der jeden Morgen Yoga übte.

Seinem 13-jährigen Sohn Ruben wollte er am 14. Juni 2008 diese Welt zeigen, in Vrmdö, zwischen den Schären vor Stockholm. Esbjörn Svensson verunglückte und konnte, obwohl ein Tauchlehrer anwesend war, nur noch bewusstlos geborgen werden. Nach fünf Stunden erfolgloser Wiederbelebung wurde er für tot erklärt. Er war gerade 44 Jahre und einer der bedeutendsten und innovativsten Pianisten im Jazz. Die Polizei arbeitet an der Aufklärung des Unfalls.

Siegfried Loch, der Inhaber von Svenssons langjähriger Plattenfirma ACT, steht unter Schock. Am Sonntag flog er von Berlin nach München, um sich dort mit Svenssons Manager Burkhard Hopper zu treffen. Loch hatte Svensson 1994 kennengelernt, als dieser noch Pianist in der Band des schwedischen Posaunisten Nils Landgren war. Seit 1998 hat er ihn und sein Pianotrio e.s.t. betreut. Siegfried Loch sagt, Esbjörn Svensson habe "den Begriff Jazz neu definiert und dieser Musik ein ganz neues, junges Publikum erschlossen". Auch Nils Landgren, der neue Leiter des Berliner Jazzfests, ist schockiert: "Die Gruppe e.s.t. ist mit Esbjörn Svensson gestorben. Sein Tod ist eine Katastrophe für seine Familie und seine Freunde, aber auch für die Musik. Denn er war auf dem Weg zu etwas ganz Phantastischem. Er konnte alle Genres aufbrechen, seine Musik ging über den Jazz hinaus. Er war ein absolut einmaliger Pianist, Musiker und Mensch. Sobald der Tag seines Begräbnisses bekannt ist, werden Musiker und Freunde aus der ganzen Welt kommen, um ihn zu ehren."

Das e.s.t. spielte seine perkussiv atmende, sich weiträumig entwickelnde Musik in ausverkauften Hallen. Und 2006 war das Trio die erste europäische Jazzband auf dem Titel der amerikanischen Fachzeitschrift Downbeat . Diese Anerkennung war ein erstaunlicher Paradigmenwechsel, der die Musik erstmals über nationale Zugehörigkeiten stellte und die Identität des Jazz neu hinterfragte. In den vergangenen Jahren hat Esbjörn Svensson Amerika erobert, als Botschafter des skandinavischen und europäischen Jazz und der musikalischen Entwicklung. Ganz ohne folkloristische Elemente.

Svensson hat immer wieder betont, wie wichtig ihm die amerikanische Jazztradition sei. Das ist besonders in seinen frühen Aufnahmen zu hören, wie der 1996 veröffentlichten Hommage Esbjörn Svensson Trio Plays Monk . Er habe sich aber von seinen Vorbildern gelöst und sehe sie nun auf Augenhöhe. Zwei der schönsten Aufnahmen des e.s.t. sind das gefeierte Good Morning Susie Soho von 2000 und das zwei Jahre später erschienene Strange Place For Snow .